KBV SIEHT BEI DIGITALEM AUSTAUSCH ZWISCHEN PRAXEN UND KLINIKEN LUFT NACH OBEN
Berlin. Egal, ob Arzt- und Entlassbriefe, Laborbefunde oder OP-Berichte: Digitalisierung kann bei der Überwindung der viel kritisierten Sektorenmauer im hiesigen Gesundheitssystem entscheidend helfen. Aus dem am Dienstag vorgestellten aktuellen Praxisbarometer für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) geht allerdings hervor: Noch werden die digitalen Möglichkeiten diesbezüglich kaum genutzt.
„Die Digitalisierung macht leider immer noch an den Sektorengrenzen Halt“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Für die Studie befragte das Berliner IGES-Institut im September und Oktober 2023 knapp 3200 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten rund um die Digitalisierung.
Digitalaustausch Klinik/Praxis kommt nicht vom Fleck
Gerade im Austausch mit den Krankenhäusern sei der Anteil der digitalen Kommunikation „weiterhin gering“, so Steiner. Aus Sicht der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen handele es sich um ein „gravierendes“ Problem. Immerhin 71 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte machten einen großen Anwendungsnutzen in der digitalen Übermittlung etwa von Entlassbriefen aus. Dieses Potenzial bleibe bislang ungenutzt.
Die digitale Kommunikation zwischen Krankenhäusern und Praxen „kommt nicht vom Fleck“, stellte IGES-Geschäftsführer Dr. Martin Albrecht fest. Seit 2018 hätten sich die entsprechenden Werte kaum verändert – das betreffe „das ganze Spektrum der digitalen Möglichkeiten“ im Austausch zwischen Klinik und Arztpraxis. „Das stagniert.“
Fortschritte verzeichnet die Umfrage bei der Digitalisierung in den Praxen. Ein Plus sei etwa bei der Kommunikation der Niedergelassenen untereinander sowie bei der Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) erkennbar, so Steiner. Beim Zuwachs der Kommunikation der Niedergelassenen untereinander sei insbesondere ein Anstieg des Anteils des E-Mail-Dienstes „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM) zu verzeichnen.
Digitale Angebote: „leicht zunehmende Tendenz“
Laut Befragung ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) die meistgenutzte TI-Anwendung. Knapp 92 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzten setzen sie ein. Die eAU ist seit 2022 Pflicht für die Praxen. Aktuell weist die eAU unter den TI-Anwendungen auch den höchsten Zufriedenheitswert auf: Nahezu 50 Prozent der Praxen geben an, eher bis sehr zufrieden zu sein.
Aktuell weniger etabliert ist die elektronische Patientenakte (ePA). Steiner führte dies auf die bis dato noch geringe Nutzung zurück. Schätzungen zufolge nutzen aktuell rund 750.000 Bundesbürger die digitale Akte – ab 2025 soll diese flächendeckend zur Anwendung kommen.
65 Prozent der Praxen geben zudem an, dass der Aufwand für die ePA bislang höher ist als ihr Nutzen. Von den Praxen, die die ePA nutzen, berichten knapp 60 Prozent, dass sie sie lediglich vorhalten, um etwaige Sanktionen zu vermeiden.
Videosprechstunden weiterhin beliebt
Mit Blick auf Digitalangebote in den Praxen sprach IGES-Forscher Albrecht von einer „leicht zunehmenden Tendenz“. So liege der Anteil der Praxen, die auf Online-Terminvereinbarung setzten, mittlerweile bei 25 Prozent – im Jahr 2018 seien es nur 14 Prozent gewesen. Von der Videosprechstunde machten 37 Prozent der Niedergelassenen Gebrauch – nach dem Boom zu Corona-Zeiten (39 Prozent) sei der Anteil stabil geblieben.
26 Prozent der Praxen verordnen laut Studie inzwischen auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Allerdings halten laut Umfrage 25 Prozent der Praxen überhaupt kein digitales Angebot vor. Steiner betonte, diese Rate werde absehbar abnehmen, da die Zahl digitaler Pflichtanwendungen zunehme.
„Teilweise Digitalisierung schafft doppelte Aufwände“
Zum E-Rezept merkte Steiner an, für eine erste Bilanz sei es gut zwei Wochen nach der verpflichtenden Einführung zu früh. Viele Patienten seien, was die Anwendung betreffe, noch unwissend. Es sei Aufgabe der Krankenkassen, Versicherte über das E-Rezept aufzuklären – dasselbe habe für die eAU zu gelten.
Auch müsse es den Praxen möglicht sein, Rezepte an Pflegeheime elektronisch zu übermitteln. Viele der Einrichtungen seien bisher nicht an die TI angeschlossen – daher brauche es zumindest eine Zwischenlösung. Problematisch sei zudem, wenn ein Arzt etwa bei einem Diabetespatienten Insulin per E-Rezept verordnen könne, für Teststreifen aber weiter das Papierrezept benötige. „Es muss in Richtung Volldigitalisierung gehen.“ Teilweise Digitalisierung erweise sich als Zeitfresser. (hom)