CORONA-INFEKTION KANN DOCH EIN ARBEITSUNFALL SEIN
Eine SARS-CoV-2-Infektion am Arbeitsplatz kann als Arbeitsunfall anerkannt werden – dem steht nun nichts mehr im Wege, berichtet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Wichtig: Das D-Arzt-Verfahren entfällt – theoretisch.
Berlin. Paradigmenwechsel bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): Schloss sie kurz nach Beginn des Lockdowns im März noch kategorisch aus, dass eine COVID-19-Erkrankung als Arbeitsunfall gelten könne – etwa, wenn sich Pflegekräfte, Klinikärzte oder MFA in Ausübung ihrer Tätigkeit angesteckt haben – so ist jetzt genau das Gegenteil der Fall.
Was bleibt, ist die Tatsache, dass kein D-Arzt-Verfahren infolge einer SARS-CoV-2-Infektion zu absolvieren sei.
Wirksame Schutzmaßnahmen bewirken Umdenken
„Durch die Umsetzung umfangreicher Schutzmaßnahmen ist das Infektionsgeschehen in Deutschland zwischenzeitlich deutlich zurückgegangen. In der Folge kommt es bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt nicht länger darauf an, dass die arbeitsbedingte Infektionsgefahr das Ausmaß der Gefährdung, dem die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, deutlich übersteigt“, teilt die DGUV auf ihrer Corona-Infowebsite mit.
Ab welchem genauen Zeitpunkt ein relevanter Rückgang des Infektionsgeschehens eingetreten sei, hänge derweil von den jeweiligen örtlichen Entwicklungen ab, die im Einzelfall ermittelt werden müssten, verdeutlicht die DGUV ergänzend. Auf dieser Grundlage könne es sich folgerichtig bei einer SARS-CoV-2-Erkrankung um einen Arbeitsunfall handeln.
Im März hieß es noch, die Infektion stelle in Konsequenz der Ende Januar erfolgten Pandemie-Erklärung der Weltgesundheitsorganisation „eine Allgemeingefahr“ und deshalb keinen Arbeitsunfall dar.
Voraussetzung für die Anerkennung als Arbeitsunfall sei nun – neben dem Vorliegen eines Gesundheitserstschadens – der intensive und länger andauernde Kontakt mit einer nachweislich mit dem Virus infizierten Person („Indexperson“). Dies gilt laut DGUV sowohl für Geschehnisse im Betrieb, als auch auf Wegen von und zur Arbeit.
„Lässt sich keine konkrete Indexperson feststellen, kann im Einzelfall auch ein nachweislich massives Infektionsgeschehen (sog. Ausbruchsgeschehen) im Betrieb ausreichen“, heißt es ergänzend auf der DGUV-Website.
Unfallversicherungsträger muss prüfen
Im Einzelfall sei durch die Unfallversicherungsträger zu prüfen, ob im maßgeblichen Infektionszeitraum Kontakt zu anderen Indexpersonen außerhalb der versicherten Tätigkeit bestand und ob dies einer Anerkennung als Arbeitsunfall entgegensteht.
Für das Vorgehen in der Praxis verweist die DGUV auf die Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, wonach sich Menschen, die eine Infektion vermuten, an das zuständige Gesundheitsamt wenden sollen, das dann die weitere Koordination übernimmt.
Ärzte melden über F1050
„Eine Vorstellung beim Durchgangsarzt einzig zur Aufnahme der versicherungsrechtlich relevanten Daten, ist aus Gründen der Infektionsprävention nicht sinnvoll“, stellt die DGUV nochmals dezidiert klar.
Hintergrund: Angesichts der besonderen Sachlage, Quarantäneauflagen und fachspezifischer Behandlung greife die Vorstellungspflicht nach § 26 Ärztevertrag beim Durchgangsarzt nicht, § 26 Abs. 2 erster Spiegelstrich sei analog anzuwenden.
„In diesen Fällen erfolgt die Meldung an den Unfallversicherungsträger mit der Ärztlichen Unfallmeldung (F1050)“, so die DGUV.
D-Arzt muss Patienten nicht wegschicken
Zeigten sich besorgte Patienten, bei denen oben aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sind, hartnäckig und besuchten doch den D-Arzt, so solle dieser einen D-Bericht (F1000) erstellen, wie die DGUV informiert.
„Sofern eine an SARS-CoV-2 erkrankte Person im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit intensiven und länger andauernden direkten Kontakt mit einer Indexperson hatte oder ein Ausbruchsgeschehen im Betrieb gegeben ist und die sonstigen Voraussetzungen des § 8 SGB VII vorliegen, ist die Behandlung und auch die Testung zu Lasten des zuständigen Unfallversicherungsträgers durchzuführen“, heißt es abschließend.