„APPS AUF REZEPT“ IN 6 ANTWORTEN ERKLÄRT
Ein Webinar zum Thema Digitale Gesundheitsanwendungen offenbarte große Wissenslücken über die „Apps auf Rezept“ bei Medizinern – von Verordnungswegen bis hin zur Rolle des Arztes. Ein FAQ für Ärzte.
Berlin. Auch nachdem Ärzte die ersten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnen dürfen, herrschen in der Ärzteschaft noch große Informationslücken – über die DiGA selbst, aber auch über Verordnungswege und die Rolle des Arztes. Wie kommt die App zum Patienten? Wie werden die Leistungen der Ärzte im Zusammenhang mit den digitalen Tools vergütet? Diese und weitere Fragen wurden am Dienstagabend diskutiert in einem gemeinsamen Webinar des Hartmannbundes, des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) und dem Bündnis Junger Ärzte. Ziel war es, Informationslücken in der Ärzteschaft zu schließen, und über DiGA aufzuklären.
Müssen Patienten über DiGA informiert werden?
„Egal, wie man als Arzt zur Digitalisierung steht: Wir brauchen eine gesunde Wissensbasis über die Möglichkeiten und Angebote, um die Patienten gut beraten zu können“, mahnte Max Tischler, Sprecher Bündnis Junge Ärzte, sich des Themas nicht zu verschließen. „Wenn es dem Patienten nützt und er eine DiGA will, dann werden wir auch wollen müssen, uns damit auseinanderzusetzen.“
Eine Informationspflicht bestehe zwar nicht, die Wahrscheinlichkeit, dass insbesondere digitalaffine Patienten vermehrt nach DiGA fragen werden, sei jedoch hoch. Tischler rät, Regelungen zu überlegen, wie Patienten informiert werden können. „Ich kann verstehen, dass gerade ältere Ärzte sagen, dass sie keinen Zugang zu Digitalthemen haben. Sie müssen auch keine Angst haben, deswegen Patienten zu verlieren“, beruhigt Tischler. Es könne durchaus aber sein, dass ein Patient für eine bestimmte Indikation dann aber zu einem DiGA-affinen Arzt wechsle. „Gerade junge Ärzte sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen“, so Tischer, der außerdem dazu rät, die DiGA-Affinität der Praxis aktiv zu bewerben, um Patienten entsprechend zu erreichen.
Rund zwei bis drei Jahre könnte es noch dauern, bis die DiGA in der flächendeckenden Versorgung eine Rolle spielen, schätzen die Experten am Dienstagabend. Derzeit seien sie noch zu sehr ein Nischenthema. Es sei deshalb dringend notwendig, mit den Ärzten in einen Dialog zu treten, um sie über diesen Versorgungsbereich aufzuklären.
Warum sollte eine DiGA verordnet werden?
„DiGA setzen an, wo die herkömmliche Versorgung an ihre Grenzen stößt. Sie können helfen, den Patienten näher an sein Krankheitsbild heranzubringen“, erläutert Tischler den rund 200 Anwesenden im virtuellen Raum die DiGA-Vorteile. Sie motivierten zudem zur Therapieadhärenz außerhalb der Praxis und erleichterten dem Patienten den Zugang zu Versorgung. Zudem können DiGA einen Arztreport zur Nachverfolgung des Behandlungsfortschritts bieten. Derzeit werde daran gearbeitet, „einen Standard für den Arztreport zu entwickeln“, so Henrik Emmert vom SVDGV. In Zukunft sei außerdem eine Schnittstelle zur elektronischen Patientenakte denkbar. DiGA-Daten, die vom Patienten dann freigegeben werden, könnten dann in der jeweiligen ePA auftauchen.
Wie kommt die App zum Patienten?
Für Fragezeichen sorgte in der Ärzteschaft auch die Verordnungspraxis. Tischler dazu: „Der Verordnungsprozess ist ziemlich einfach und nicht anders, als bei anderen Heilmitteln.“ Konkret: Verordnet wird mit Muster 16 und Pharmazentralnummer (PZN) über die Praxisverwaltungssysteme (PVS). Spätestens mit dem nächsten Update sollten die DiGA im PVS gelistet sein. „DiGA belasten weder das Arznei- noch das Heilmittelbudget“, betont Tischler. Und: Die Freischaltung der App erfolge ohne Mitwirkung durch die Ärzte. Alternativ können sich Patienten auch die direkt an ihre Krankenkassen wenden. Sie müssen dann, etwa über einen Arztbrief, nachweisen können, dass die notwendige Indikation bereits ärztlich festgestellt wurde. Heißt: Die Ärzte bleiben Dreh- und Angelpunkt der Versorgung.DiGA unterliegen nicht dem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen. Die Abrechnung erfolgt direkt zwischen DiGA-Hersteller und Krankenkasse.
Wie kommen Ärzte an die Informationen?
Informieren über zugelassene DiGA können sich Ärzte im DiGA-Verzeichnis des BfArM und über Fachinformationen der Hersteller für Ärzte. Je nach Hersteller könnte es zudem bald Schulungen oder Beratungen für Praxisteams geben. Tischler rät Ärzten, sich insbesondere mit jenen DiGA intensiv auseinanderzusetzen, die häufig in der Praxis vorkommende Krankheitsbilder adressieren.
Nur die im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen, werden von den Krankenkassen erstattet.
Wird der Zusatzaufwand durch DiGA vergütet?
Leistungen, die ärztlicher Natur sind und mit der DiGA-Verschreibung entstehen, sollen künftig vergütet werden. Die Verhandlungen dazu laufen jedoch noch. Tischler wünscht eine extrabudgetäre Vergütung: „Das könnte die Akzeptanz vorantreiben. Aber vielleicht müssen wir uns einfach die Zeit nehmen, uns an die neue Situation anzupassen. Lebenslanges Lernen macht unseren Beruf ja auch irgendwie aus“, so Tischler.
Wie steht es um den Datenschutz und wer trägt die Verantwortung?
Große Sorgen bereitete den Ärzten am Dienstagabend auch die Datenschutz-Thematik. Jeanette Baudach vom SVDGV beruhigte: „DiGA unterliegen extrem hohen Datenschutzanforderungen, für die die Hersteller die Verantwortung tragen. Gesundheitsdaten dürfen nicht übermittelt werden, ohne dass der Nutzer dem explizit zustimmt.“
„Wir müssen uns auf die Regelungen verlassen können“, sieht Tischler die Ärzte aus der Verantwortung genommen. Ein Sicherheitsvorfall in der zugelassenen DiGA Velibra, der jüngst durch die Medien ging, zeige jedoch, dass das System so gut funktioniere, das Probleme frühzeitig behoben werden können. Emmert vom SVDGV: „Das Problem war schon behoben, noch bevor die DiGA verschreibungsfähig war.“