WAS DIE „MEDIZINSPRACHE“ SNOMED CT FÜR DIE PRAXEN BEDEUTET
SNOMED-CT kommt, so steht es im Patientendatenschutzgesetz. Auch Ärzte und Patienten werden mit dieser „Sprache“ konfrontiert sein – lernen müssen sie sie deshalb aber nicht.
Berlin. Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen erfordert eine „gemeinsame Sprache“, die von Patienten, Ärzten aber insbesondere auch Computern gleichermaßen verstanden wird. Das Patientendatenschutzgesetz, das am Dienstag in Kraft getreten ist, schreibt für die medizinische Terminologie „internationale Standards“ zur „Gewährleistung der semantischen Interoperabilität“ vor. Diese gemeinsame Sprache für die elektronische Kommunikation und den digitalen Austausch im Gesundheitswesen heißt „SNOMED CT“ und besteht aus numerischen Codes.
„SNOMED CT ist eine unabdingbare Sache für die Digitalisierung im Gesundheitswesen“, betonte Dr. Kai Heitmann am Mittwoch in einem Webinar des health innovation hub (hih) zum Thema. Und gibt gleich Entwarnung: „Patienten und Gesundheitsdienstleister müssen jetzt aber keine Codes auswendig lernen.“ Heitmann ist Director Interoperability im hih, einer Ideenfabrik des Bundesgesundheitsministeriums.
„DIe Welt ist bunter als ICD-10“
Die Abkürzung SNOMED CT steht für Systematized Nomenclature of Medicine Clinical Terms, kurzum: Systematisierte Nomenklatur der Medizin. Das internationale, mehrsprachige Terminologiesystem umfasst den Angaben zufolge rund 370.000 medizinische Begriffe. Diesen Begriffen wiederum sind rund eine Million Synonyme und etwa 1,4 Millionen Beziehungen zugeordnet. Alle Begriffe sind eindeutig identifiziert, logisch definiert und hierarchisch angeordnet.
Ziel dieser Systematisierung ist es, Ungenauigkeiten oder Verständnisfehler in der Medizin zu unterbinden. Damit das gelingt, braucht es eindeutige Codes, die Diagnosen und Zusammenhänge genau abbilden. „Die Kodierung nach ICD-10 ist relativ grob, in Wirklichkeit ist die Welt bunter. Die klinische Dokumentation will eigentlich diese bunte Welt feingranular abbilden“, erläutert Heitmann.
Deutlich wird der Unterschied, wenn man einen Blick auf die gegenwärtige Corona-Pandemie wirft. „Für die Kodierung von Corona gibt es zwei ICD-10-Kodes. In SNOMED CT hingegen sind 160 Begriffe hinterlegt, die mit Corona assoziiert sind“, so Professor Sylvia Thun vom Berlin Institute of Health.
Kein Mehraufwand in der Praxis
Die genaue Erfassung medizinischer Daten ist insbesondere für die Forschung von großer Bedeutung. Doch auch Ärzte werden in ihrem Praxisalltag mit SNOMED CT konfrontiert. So soll das Terminolgiesystem zum Beispiel als semantische Basis für die Medizinischen Informationsobjekte (MIO) dienen, die die KBV derzeit als standardisierte Dateneinheiten für die elektronische Patientenakte entwickelt.
„Niedergelassene Ärzte merken SNOMED CT gar nicht so sehr, wie sie es von anderen Klassifikationen gewohnt sind“, meint Heitmann und bekräftigt: „Es kommt keine Mehrarbeit auf Ärzte zu. Vielmehr wird eine Unterstützung geboten, indem einzelne Begriffe automatisch zu Kodiervorschlägen nach ICD-10 führen. Wir erhöhen damit die Patientensicherheit und können Dinge präziser ausdrücken.
Und auch das BfArM, das laut PDSG damit beauftragt ist, bis 1. Januar 2021 ein „nationales Kompetenzzentrum für medizinische Terminologien“ einzurichten. betont: „Wir hoffen, die komplizierten Anforderungen nicht an die Anwender mitzugeben“. Die jeweiligen IT-Systeme, versichert Behördenmitarbeiterin Dr. Stefanie Weber, „sollen die Terminologie im Hintergrund mitführen“. (mu)