VOLLER DURCHBLICK IM ZEITALTER DER TELEMATIKINFRASTRUKTUR
Elektronische Patientenakten sind potenzielle Datenkonvolute zur individuellen Krankheitsgeschichte. Wie Ärzte diese nach Anbindung ihrer Praxis an die Telematikinfrastruktur in Zukunft sinnvoll in ihr primäres Arztinformationssystem einbinden können, zeigte die gematik bei der Medica.
Von Matthias Wallenfels
DÜSSELDORF. Die kostenlose elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich versicherten Patienten wird kommen. Dafür sorgt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Terminservice- und -Versorgungsgesetz (TSVG) als Vehikel. Angepeilt ist die GKV-ePA für 2021. Das Bundesgesundheitsministerium, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereingung, der GKV-Spitzenverband sowie die Betreibergesellschaft gematik haben sich bereits auf ein konzeptionelles Vorgehen verständigt.
Für niedergelassene Vertragsärzte stellt sich nun die spannende Frage, wie sie die verschiedenen ePA-Lösungen – Vielfalt statt Einheitsbrei lautet hier das gesundheitspolitische Motto – sinnvoll und konform mit der EU-Datenschutzgrundverordnung in ihrem primären Arztinformationssystem verwenden sollen, wenn die Praxis an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen ist. Die gematik hat bei der diesjährigen Medica in Düsseldorf die Gelegenheit genutzt, interessierte Ärzte offensiv über die ePA im Zeitalter der TI zu nutzen – mit einer „MokkaMed“ genannten Simulation.
ePA soll von Ballast befreien
Nach Einschätzung von Benno Herrmann, bei der gematik Leiter der Unternehmenskommunikation, müssen sich niedergelassene Vertragsärzte keine großen Sorgen machen, wie sie ePA in den Versorgungsalltag in der Praxis integrieren. „Die Praxis-EDV-Anbieter informieren ihre Kunden bereits umfassend und gut“, stellte Hermann im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ klar.
Konsens sei, dass das patientenindividuelle elektronische Gesundheitsdatenkonvolut die Versorgungssituation verschlanken und von unnötigem Ballast befreien soll – Ballast im Sinne von kostenintensiven Doppeluntersuchungen zum Beispiel. Diese könnten mit einer ePA potenziell vermieden und Informationen zur Behandlungshistorie mit geringem Aufwand genutzt werden. Zugleich erhält der Versicherte Einsicht in alle seine Dokumente und darüber, wer wann auf welche Dokumente zugegriffen hat.
Entscheidet sich der Versicherte dazu, ein Dokument nicht länger bereitzustellen, kann er es aus seiner ePA löschen. Die ePA – und das müssen Ärzte bei der Behandlung im Hinterkopf behalten, so Herrmann, – erhebt deshalb auch keinen Anspruch einer aus ärztlicher Sicht vollständigen Dokumentation.
Wie die Simulation „MokkaMed“ veranschaulicht, können Ärzte in jeder Kassen-ePA schnell und zielsicher navigieren. Ein entsprechendes Farbkonzept lässt dabei erkennen, welche Dokumente aus der eigenen Praxis sind und welche aus Quellen anderer Leistungserbringer eingestellt worden sind. Auch lässt sich eruieren, welche Dokumente der jeweilige Patient selbst in die ePA gestellt hat.
So lässt sich ebenso schnell nach eigenen und Fremdbefunden suchen und sortieren sowie bei Interesse auch eine Download-Kopie einzelner Bilder oder Befundberichte in die eigene Patientenakte der Praxis einstellen. Dasselbe gilt für Laborberichte.
Mobiler Zugriff auf Daten möglich
Eine zentrale Rolle könnte die ePA künftig auch bei der ärztlichen Versorgung von Pflegeheimbewohnern spielen. Denn künftig soll der Zugriff auf die ePA auch via mobile Endgeräte möglich sein – könnte somit ein Arzt im Pflegeheim auf die in der ePA des jeweiligen Patienten die Behandlungshistorie einsehen. Laut Herrmann fragen derzeit viele Anbieter entsprechender Endgeräte bei der gematik über die genauen Modalitäten des mobilen Zugriffs nach.
Die Option des mobilen Datenzugriffs kann für niedergelassene Ärzte insofern bald im Versorgungsalltag essenziell werden, als das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG), das kürzlich im Bundestag die letzte gesetzgeberische Hürde genommen hat, Pflegeheime künftig verpflichtet, Kooperationsverträge mit Vertragsärzten zu schließen.