VIELE JUNGE ÄRZTE ZIEHT ES NOCH IMMER IN DIE EINZELPRAXIS
Düsseldorf. Die Unterschiede sind riesig: Sollen es bei der Niederlassung lieber die im Schnitt bei gut 507.000 Euro liegenden Investitionen für eine orthopädische Einzelpraxis sein, oder ist vielleicht doch eher die Hälfte an Anfangsinvestitionen (251.600 Euro) für die Einzelpraxisübernahme einer Frauenarztpraxis vorzuziehen – oder doch die im Durchschnitt gezahlten knapp 180.000 Euro für eine hausärztliche Praxis?
Die Qual der Wahl hat natürlich nicht mehr die gerade fertige Fachärztin oder ihr männlicher Kollege. Sondern die Entscheidung für den Facharzt fällt mindestens fünf bis sechs Jahre früher beim Einstieg in die Weiterbildung. Aber die Unterschiede, die in der Existenzgründungsanalyse von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apobank) und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) für die Jahre 2021/22 dokumentiert werden, sind natürlich auch ein Abbild der Einkommenserwartungen der Existenzgründer.
Die apoBank ist nach eigener Aussage deutlicher Marktführer bei Existenzgründungen von Ärztinnen und Ärzten. In die Existenzgründungsanalyse sind insgesamt 3.315 Gründungen und Übernahmen, die die apoBank in dem Zeitraum 2021/22 begleitet hat, eingeflossen, darunter 925 hausärztliche. Die regelmäßig vorgelegte Existenzgründungsanalyse ist allein aufgrund dieser Zahl ein relativ zuverlässiger Indikator für die Trends bei Niederlassungen. Ob die Zahlen tatsächlich repräsentativ für alle Existenzgründungen sind, lässt sich aber nicht sagen.
Einzelpraxisübernahme ganz klar vorne
Ganz klar ist anhand der Zahlen, dass der immer wieder ausgerufene Trend weg von der Einzelpraxis zumindest bei der Existenzgründung von Ärztinnen und Ärzten, die von der apoBank finanziert werden, den Realitätscheck nicht besteht. 57 Prozent der Existenzgründer wählten im Zeitraum 2017/18 entweder die Einzelpraxisneugründung (4 Prozent) oder die Einzelpraxisübernahme (53 Prozent) als Niederlassungsform. Vier Jahre später sind es 58 Prozent, also sogar noch ein Prozentpunkt mehr, 49 Prozent der Gründer übernahmen 2021/22 eine Einzelpraxis, neun Prozent gründeten eine neue Einzelpraxis.
Die Überführung einer Einzelpraxis in Berufsausübungsgemeinschaft und der Eintritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft machten 2017/18 25 Prozent der Gründungen aus, 2021/22 waren es 28 Prozent, im Gegenzug ging allerdings die Gründung oder Übernahme weiterer Kooperationsformen zurück.
Beitritt in eine BAG relativ günstig
Ein weiterer Trend, der sich aus den Zahlen ergibt: Die Inflation macht offenbar auch vor den Preisen für Praxen nicht halt. Die Gesamtkosten für die Niederlassung sind im Vergleich tendenziell weiter gestiegen: Sie beliefen sich 2021/2022 laut Mitteilung der apoBank für die Übernahme einer Einzelpraxis bei hausärztlichen Praxen auf 179.100 Euro, zwei Jahre zuvor waren es noch 169.300 Euro, 2015/16 musste ein junger Arzt oder eine junge Ärztin im Durchschnitt sogar nur 133.800 Euro in die Niederlassung investieren. Deutlich günstiger werde es für Hausärztinnen und Hausärzte, wenn sie sich in einer Kooperation niederlassen: Der Beitritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) erforderte mit durchschnittlich 130.600 Euro die geringsten Investitionen für die Niederlassung.
Als Beitritt wird bezeichnet, wenn sich der oder die neue Miteigentümerin zunächst selbst einen Patientenstamm aufbauen muss. Der Eintritt ist im Gegensatz dazu inklusive Übernahme des Patientenstammes einer Vorgängerin oder eines Vorgängers. Dieser Eintritt kostet im Durchschnitt laut Zi- und apoBank-Analyse bei 147.200 Euro.
Teure Teilzulassung
Nicht immer soll es gleich eine Vollzulassung sein, wenn die Niederlassung ansteht. Die Gründe dafür können vielfältig sein, zum Beispiel ein weiter bestehendes zweites Standbein als angestellter Arzt oder Ärztin in der Klinik oder eine Niederlassung in Teilzeit, um besser für die Familie da sein zu können. Rund ein Fünftel der Existenzgründerinnen und -gründer, so die apoBank, haben sich für eine solche Teilzulassung entschieden. Möglich sei auch die Übernahme einer Einzelpraxis, die dann in eine BAG überführt werde, schreibt die apoBank. In diesem Fall teilten sich die neuen Praxisinhaber die vorhandene Zulassung.
Auf jeden Fall – auch das zeigt die Existenzgründungsanalyse – betragen die Übernahmepreise bei einer halben hausärztlichen Zulassung unabhängig von der Niederlassungsart rund 80 Prozent einer vollen Zulassung. Das heißt, die Übernahmepreise verringern sich nicht proportional, sondern sind relativ höher: „Dieser relativ hohe Preis bei einer Teilzulassung entsteht dadurch, dass es vor allem Praxen mit großem Patientenstamm und hohen Umsätzen sind, bei denen es sich lohnt, die Versorgung aufzuteilen“, wird Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und Beteiligungen bei der apoBank, in einer Mitteilung der Bank zitiert. Diese Praxen seien entsprechend teurer, böten aber mehr Potenzial, um ein entsprechend gutes Einkommen auch mit einer halben Zulassung zu erwirtschaften.
Junge Ärzte zieht es weiter in die Städte
Nach wie vor hält der Trend in die Stadt bei Existenzgründungen, die von der apoBank finanziert werden, an, obwohl Praxen auf dem Land deutlich günstiger zu erwerben sind: Für alle ärztlichen Existenzgründungen insgesamt gelte, dass die Häufigkeit mit zunehmender Gemeindegröße steigt, ebenso der Übernahmepreis: So seien 2021/2022 hausärztliche Landpraxen (Einzelpraxisübernahmen) mit im Schnitt 81.300 Euro um einiges günstiger als in den großen Städten mit 114.300 Euro, schreibt das Geldinstitut.
Verglichen mit den Vorjahren sei der Anteil an Niederlassungen auf dem Land 2021/2022 zwar um zwei Prozentpunkte gestiegen. Trotzdem bleibe er vergleichsweise klein: Denn in den ländlichen Regionen, wo zehn Prozent der gesamten Bevölkerung leben, fänden nur sechs Prozent aller ärztlichen Existenzgründungen statt. Die Hälfte der Praxisgründerinnen und Gründer lasse sich in den Großstädten nieder, obwohl dort lediglich ein Drittel aller Bürger wohnt.
Frauen investieren häufig weniger
Die Tendenz dahin, dass für die Arbeit die städtische Infrastruktur weniger benötigt werde, weil Homeoffice immer mehr ermöglicht wird, schlage sich bislang noch kaum in den Trends zur Niederlassung nieder. Allerdings tendierten gerade die jungen Existenzgründer ein Stück eher in Richtung Land als die älteren Existenzgründer. „Insofern bleibt es spannend, ob der leichte Anstieg an Praxisgründungen auf dem Land sich weiter fortsetzen wird“, so Zehnich.
Der Frauenanteil unter den Neu-Niederlassung liegt laut apoBank stabil bei rund 60 Prozent. Im Durchschnitt seien Frauen mit 41,9 Jahren bei der Niederlassung geringfügig jünger als ihre männlichen Kollegen mit 42,6 Jahren. Deutliche Unterschiede gebe es jedoch nach wie vor bei den gezahlten Kaufpreisen: 2022 hätten Frauen im Schnitt 87.800 Euro für die Übernahme einer hausärztlichen Einzelpraxis gezahlt, das seien 35 Prozent weniger als Männer. Bei Investitionen in die übernommene Praxis blieben sie allerdings auf ähnlichem Niveau wie die Männer.