VERSICHERUNGSMATHEMATIKER SINNIEREN ÜBER PKV-REFORM
Ein Vertreter der PKV und einer der Versicherten – beide Versicherungsmathematiker – zeigen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf, wo es in puncto PKV hingehen könnte.
Köln. Verbraucherschützer und Versicherer sind nicht gerade die geborenen Freunde. Zwei prominente Vertreter bilden jetzt aber eine Koalition, um eine Reform der privaten Krankenversicherung (PKV) auf den Weg zu bringen: Roland Weber, Vorstand des PKV-Marktführers Debeka, und Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten (BdV). Ein wichtiges Anliegen der beiden ist es, eine stabilere Beitragsentwicklung in der Vollversicherung zu erreichen.
Während es in der GKV ständig gesetzliche Änderungen gebe, sei in der PKV über zwei Legislaturperioden nichts passiert, sagt Weber der „Ärzte Zeitung“. „Nach zwei Legislaturperioden Stillstand ist im Interesse der privat Krankenversicherten ein weiteres Aussitzen von Reformoptionen für die PKV nicht vertretbar“, betont er und sieht die neue Ampel-Koalition in der Pflicht.
„Es wird Zeit, etwas zu tun“, bestätigt BdV-Chef Kleinlein. Der BdV habe auch privat versicherte Mitglieder, die vernünftig behandelt werden müssen. „Das werden sie aber nicht immer.“ Das liege nicht nur an den Versicherungsunternehmen, sondern auch daran, dass ihnen durch gesetzliche Vorschriften die Hände gebunden sind. „Privatversicherte sind keine Bürger zweiter Klasse, sondern genauso fair und sauber zu behandeln wie alle anderen auch“, stellt er klar.
Stabile Beitragsentwicklung notwendig
„Wir brauchen eine stabile Beitragsentwicklung, insbesondere im Alter“, sagt Weber. Er plädiert dafür, den gesetzlichen Beitragszuschlag in der PKV neu zu gestalten. Seit Anfang 2000 müssen die Versicherer in der Vollversicherung auf die kalkulierten Beiträge einen Zuschlag von 10 Prozent erheben. Die Mittel werden angelegt, die damit erzielten Zinsen dienen dazu, Beitragssteigerungen im Alter aufzufangen. Versicherte müssen den Zuschlag vom 22. bis zum 60. Lebensjahr zahlen, ab dem 65. Lebensjahr wird er wirksam.
Auch im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten zur Beitragsentlastung reicht der Zuschlag zur Kompensation der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht mehr aus. „Deshalb müssen wir die Strukturen verändern“, sagt Weber, der Versicherungsmathematiker ist. Sein Vorschlag: „Man sollte den Beitragszuschlag erhöhen und vielleicht früher mit der Beitragsentlastung beginnen.“ Er hält eine Anhebung des Zuschlags auf 15 Prozent für sinnvoll. Die Begrenzung der Beitragssteigerung könnte bei den Versicherten mit Mitte/Ende 50 beginnen statt mit 65.
Der BdV-Chef kann sich solche Schritte vorstellen, hält sie aber nicht für ausreichend. Ihm ist ein Reformschritt wichtiger: „Die medizinische Inflation muss in die Prämienkalkulation Eingang finden“, fordert Kleinlein, ebenfalls Versicherungsmathematiker. „Ein gutes Zusammenspiel aus Zuschlag und Einkalkulieren der medizinischen Inflation würde zu fairen Preisen und nachvollziehbaren Prämiensteigerungen führen.“
Höhere Einstiegsprämien als Preis
Eine Umsetzung dieser Reformvorschläge würde zu höheren Einstiegsprämien führen, was den Verkauf der Policen natürlich nicht erleichtert. Um viel genau die Prämien steigen werden, könne man jetzt noch nicht sagen, betonte Kleinlein. „Es wird auf jeden Fall deutlich spürbar.“
Die beiden schlagen noch weitere Maßnahmen vor. So sollten die Versicherer ihre Kunden aus Transparenzgründen regelmäßig über den Rechnungszins informieren. Sie halten zudem eine Entschlackung der zum Teil sehr unübersichtlichen Tarifwelt in den Unternehmen für notwendig.
Weber erneuert eine alte Forderung der Branche: Der Gesetzgeber soll die Versicherungspflichtgrenze deutlich absenken. Wenn sie wieder auf das Niveau der Beitragsbemessungsgrenze sinkt, könnten Menschen früher und mit niedrigeren Einstiegsprämien die PKV gehen und hätten länger Zeit, Alterungsrückstellungen aufzubauen.
Im Gegenzug könnte sich die PKV zu einer Öffnungsaktion verpflichten, wie es sie auch bei Beamten gibt. Ein halbes Jahr nach Erreichen der Versicherungspflichtgrenze hätten Angestellte dann unabhängig von ihrem Gesundheitszustand die Möglichkeit, sich privat zu versichern. Die Anbieter müssten auch Versicherte mit Vorerkrankungen oder Behinderungen aufnehmen, könnten allerdings mit Risikozuschlägen arbeiten.
Reaktion der Politik unklar
Es bleibt abzuwarten, was die Politik von den Reformvorschlägen hält. Kleinlein ist skeptisch. Die Ampel verstehe sich zwar als Koalition des Aufbruchs, sagt er. „Beim Thema PKV und generell Versicherung sind allerdings keine Impulse zu sehen.“
Weber hofft auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach als bekennenden Anhänger der Evidenzbasierung. „Lauterbach weiß, dass er nicht 10 Prozent der Versicherten links liegen lassen kann, wenn er das Gesundheitswesen voranbringen will.“