VERSICHERTENBEFRAGUNG: KBV VIDEOSPRECHSTUNDE IST KEINE NEUE VERSORGUNGSFORM
Der virtuelle Arztbesuch wird für immer mehr Patienten zur Option, doch das Angebot der Praxen hält damit nicht Schritt. Das ist eine Erkenntnis aus der neuesten KBV-Versichertenbefragung.
Berlin. Die Coronavirus-Pandemie hat sich in den Arztpraxen bemerkbar gemacht. Um rund fünf Prozent sind die Praxisbesuche zwischen April 2020 und April 2021 zurückgegangen. Keine Abwärtsbewegung verzeichnet dagegen das Vertrauen der Patienten zu ihren Haus- und Fachärzten. Rund neun von zehn Patienten vertrauen der Fachkompetenz ihrer Ärzte.
Der digitale Schub, den sich auch politisch Verantwortliche von der Pandemie versprochen haben, bleibt vorerst aus. Noch sind die Menschen in Deutschland in der Frage, ob sie per Video mit einem Arzt kommunizieren wollen, gespalten. Der Anteil der Befürworter wächst. 50 Prozent der Versicherten kann sich die Videosprechstunde vorstellen.
Voraussetzung sei aber, dass sie den Arzt von einem persönlichen Besuch her bereits kennten. Bei der Befragung von vor zwei Jahren hatte die Zahl der Befürworter bei 37 Prozent gelegen.
4500 Hausärzte bieten Videosprechstunde an
Bei den niedergelassenen Ärzten spielen digitale Sprechstundenangebote dagegen kaum eine Rolle, wenn man sie ins Verhältnis zu der rund eine Milliarde Arzt-Patientenkontakte im Jahr setzt.
Im vierten Quartal 2020 sei die Leistung in Hausarztpraxen 135.000 Mal abgerechnet worden, berichtete KBV-Vize Dr. Stephan-Hofmeister bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse am Mittwoch. 4500 Hausarztpraxen böten Videosprechstunden an. „Die Leistung gibt es, sie wird auch angeboten. Sie wird aber insbesondere im hausärztlichen Bereich nicht so genutzt, wie es manchmal politisch verkauft wird“, sagte Hofmeister.
Viele medizinische Fragen ließen sich nicht so einfach am Telefon oder per Video zwischen Arzt und Patient abstimmen. „Die Videosprechstunde wird genutzt, sie wird auch von Hausärzten genutzt, sie ist aber keine neue Versorgungsform“, brachte Hofmeister die Entwicklung auf einen knappen Nenner.
In die gleiche Kerbe hieb KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel. Vor allem jüngere Menschen in den Ballungsräumen ständen technischen Innovationen wie der Videosprechstunde aufgeschlossen gegenüber. „Für die Sicherstellung der älteren Bevölkerung in den ländlichen Gebieten ist sie daher nicht die richtige Option“, sagte Kriedel.
Weniger Patienten in den Praxen
Die Pandemie hat unmittelbare Auswirkungen auf die Arzt-Patientenkontakte. 80 Prozent der deutschsprachigen Erwachsenen waren ausweislich der telefonischen Befragung im Untersuchungszeitraum bei einem niedergelassenen Arzt in der Praxis. Das sind sieben Prozent weniger als 2019, aber nur vier Prozent unter dem langfristigen Mittel seit 2006.
Die Lockdowns und die Aufforderungen, zu Hause zu bleiben, hätten viele Menschen von Praxisbesuchen abgehalten, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Mittwoch. Gleichwohl hätten die niedergelassenen Ärzte es geschafft, die chronisch Erkrankten zuverlässig zu behandeln. „Das war nicht selbstverständlich“, sagte Gassen.
Nachgefragt wurden zudem insbesondere die Impfungen, nicht nur gegen Corona. Die Ärzte hätten 2021 rund vier Millionen Menschen mehr als 2019 gegen Influenza geimpft. Mittlere Wartezeiten von zwei Tagen bis eine Woche hätten zugenommen, um die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen umsetzen zu können, sagte Gassen.
Kürzere Wartezeiten in den Praxen
Ausweislich der Befragung haben trotz der coronabedingten Umstände weniger Patienten als 2019 die Wartezeit auf einen Arzttermin als zu lange empfunden. (18 Prozent vs. 20 Prozent). Die Wartezeit in den Praxen selbst hat sich verkürzt. 82 Prozent der Patienten gab an, binnen 30 Minuten im Sprechzimmer gewesen zu sein. 2019 lag dieser Wert bei 70 Prozent. Mehr als 30 Minuten warten mussten nur 15 Prozent der Befragten (2019: 26 Prozent).
Die Pandemie hat den Blick der Bevölkerung auf die Probleme des Gesundheitswesens verändert. War in den zurückliegenden Befragungen noch ein drohender Ärztemangel die Hauptsorge der Versicherten, sind es nun Ängste vor Personalmangel in den Pflegeberufen und vor Infektionskrankheiten und Pandemien. Der Ärztemangel ist auf Platz 3 abgerutscht.