UNTERSCHRIFTSTEMPEL AUF REZEPTEN: ARZT SOLL 500.000 EURO REGRESS LEISTEN
Mit der Einführung des E-Rezepts dürften formal fehlerhaft ausgestellte Rezepte der Vergangenheit angehören. Altfälle können aber noch richtig teuer werden.
Marburg. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen sich bei der Ausstellung eines Rezeptes akribisch an die vorgeschriebenen Formalitäten halten.
Hat ein Arzt vor Einführung des E-Rezeptes Verordnungen nicht wie vorgeschrieben eigenhändig, sondern mit einem Unterschriftstempel abgesegnet, muss er Regress leisten, entschied das Sozialgericht Marburg in einem Anfang November veröffentlichten Urteil.
Ein niedergelassener Arzt muss demnach über 491.000 Euro Schadensersatz für die jahrelange Verwendung eines Unterschriftsstempels zahlen.
Der klagende Internist mit Schwerpunkt Kardiologie hatte in den Quartalen I/2015 bis II/2018 sowie IV/2018 die von ihm ausgestellten Verordnungen nicht eigenhändig unterschrieben. Die Rezepte waren nur mit einer gestempelten Signatur versehen. Die Prüfungsstelle der KV stellte fest, dass der Arzt damit seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe.
Beschwerde-Ausschuss bestätigt Regress
Gemäß Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) und der Arzneimittelrichtlinie des G-BA muss eine Verordnung vom Arzt eigenhändig unterschrieben werden. Der Internist sollte daraufhin wegen der formell fehlerhaft verordneten Arzneimittel und des Sprechstundenbedarfs über 491.000 Euro Regress leisten. Der gemeinsame Beschwerde-Ausschuss bestätigte diese Entscheidung.
Ohne Erfolg hatte der Arzt angeführt, dass doch kein rechnerischer Schaden entstanden sei. Alle Verordnungen seien medizinisch indiziert gewesen und hätten sowieso vergütet werden müssen. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn man ihm erst Jahre später vorhalte, dass er die Verordnungen eigenhändig unterschreiben müsse. In jedem Fall sei der geforderte Schadensersatz völlig unverhältnismäßig.
Auch Sozialrichter senken den Daumen
Doch das Sozialgericht wies seine Klage ab. Jeder Vertragsarzt müsse die Regelungen des BMV-Ä, der Arzneimittel-Richtlinie und der Arzneimittelverschreibungsverordnung kennen, mahnten die Marburger Richter. Zwar sei kein rechnerischer, dafür aber ein „sonstiger Schaden“ in Form einer unzulässigen Verordnung entstanden. Analoge Verordnungen müssten zwingend eigenhändig unterschrieben oder – nach Einführung des E-Rezepts – jetzt mit einer elektronischen Signatur versehen werden.
Nur so sei sichergestellt, dass der Vertragsarzt auch tatsächlich die Verordnung veranlasst habe. Dies sei kein bloßer formaler Vorgang, sondern diene dem Schutz der Patienten. Einen Unterschriftenstempel könnten dagegen auch Dritte verwenden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der klagende Internist hat einen Monat Zeit, in Berufung zu gehen. (fl)
Sozialgericht Marburg, Az.: S 17 KA 88/23