TIPPS FÜR DIE TERMINPLANUNG: WIE PRAXEN ZEITDIEBE ENTLARVEN
Freitagnachmittag, der Terminkalender platzt aus allen Nähten und dann kommt der Anruf eines Patienten mit Fieber: „Können Sie mich nicht doch noch dazwischenschieben?“ Die ebenfalls übervolle Akutsprechstunde am Vormittag hatte er verpasst ... morgens waren die Symptome noch nicht so schlimm.
Eine Situation, die viele Medizinische Fachangestellte (MFA) am Praxistelefon schon mehr als einmal erlebt haben dürften. Das Dazwischenschieben, das man einem echten Akutpatienten nicht verwehren wird, schon gar nicht kurz vorm Wochenende, kann den Praxisablauf an diesem Tag komplett durcheinanderbringen – mit längeren Wartezeiten für Terminpatienten und damit längeren Arbeitszeiten fürs Team.
Dabei ließe sich gut vorbeugen, so Praxisberaterin Iris Schluckebier. „Das Problem vieler Fachärzte ist, dass sie sich wochen- oder monatelang ihren Terminkalender voll planen. Dann hat der Augenarzt im Ort tatsächlich erst in sechs Monaten wieder einen Termin frei“, erläuterte Schluckebier, die selbst 28 Jahre als MFA gearbeitet hat, auf der practica in Bad Orb.
Welche Methoden setzen Sie für ein gutes Terminmanagement in der Praxis ein?
50 % - Über die Akutsprechstunden sind die meisten dringenden Fälle abgedeckt. Das entlastet die übrigen Sprechstunden.
10 % - Ich habe mal dokumentiert, wann besonders viele dringende Fälle kamen und meine Sprechstunden danach anders organisiert.
41 % - Wir vergeben planbare Termine wie Check-ups nur mit viel Vorlauf, damit der Kalender nicht ständig komplett zugeplant ist und immer Pufferzeiten bleiben.
51 % - Ich lasse beim Terminmanagement von vornherein einige Terminslots frei (z.B. jeden zweiten Termin), in die ich dringende Fälle einschieben kann.
3 % - Wir setzen für ein optimales Terminmanagement KI ein.
39 % - Wir haben eigene Nummern mit Anrufbeantworter und/oder Mailadressen für Rezept- und Überweisungswünsche.
11 % - Etwas anderes.
Zeitmanagement ist überwiegend Sache der MFA
Laut der jüngsten Versichertenbefragung der KBV, diese stammt allerdings aus dem Jahr 2021, warteten damals 27 Prozent der befragten Patienten länger als drei Wochen auf einen Facharzttermin, weitere 20 Prozent bis zu drei Wochen und 14 Prozent bis zu einer Woche.
Für einen Hausarztbesuch gaben ein Drittel gar keine Wartezeit, 10 Prozent einen Tag und 14 Prozent zwei bis drei Tage Wartezeit an. Bis zu drei Wochen auf einen Termin mussten sich hier nur sieben Prozent gedulden.
Wie sehr die Terminfalle dennoch den hausärztlichen Teams unter den Nägeln brennt, zeigte der Zuspruch für Schluckebiers Nachmittagsseminar: Der Saal war voll. Bezeichnenderweise nur mit Fachangestellten.
Terminmanagement und damit auch das Zeitmanagement für die Ärztinnen und Ärzte ist überwiegend Sache der MFA. Dazu gehört, im Blick zu haben, dass Terminslots weder von Patienten noch Ärzten zu sehr überzogen werden.
Hier legen die Praxen drauf
Doch zunächst die Lösung fürs Dazwischenschieben. „Eigentlich hilft schon die Grundregel: Kein Patient lässt sich einfach dazwischenschieben“, so die Praxisberaterin. Ein bereits vergebenes Zeit- oder besser Versorgungsfenster könne nicht mehrfach verbucht werden.
Deshalb: „Buchen Sie nicht schon Monate oder Wochen vorher den kompletten Terminkalender zu.“ Besser sei es, für die nächsten zwei Wochen etwa jeden zweiten Termin freizulassen für kurzfristige Termine. „Ich weiß, dass viele Praxischefinnen und -chefs die Sorge umtreibt, das führe zu wirtschaftlichen Einbußen.“
Eine Angst, die die MFA ihren Chefinnen und Chefs leicht nehmen könnten, indem sie einmal für ein, zwei Wochen Buch führen, wie viele Patienten zusätzlich anrufen und vertröstet werden müssen. Insbesondere in hausärztlichen Praxen füllten sich die offenen Terminlücken für Akutpatienten und Notfälle flott von alleine, so auch die Erfahrung der Teilnehmerinnen.
Und in der „heutigen Situation, in der einige Praxen zum Ende des Quartals sogar in Budgetferien gehen“, könne von Einbußen kaum die Rede sein, sagte Schluckebier. Eher legten die Praxen mit zu eng getakteten Terminkalendern drauf.
Also den planbaren Gesundheits-Check-up besser auf einen Termin in vier bis fünf Wochen legen. „Und dann auch schon die Folgetermine für die Besprechung der Ergebnisse mitplanen, damit der Patient dafür nicht wieder kurzfristig anruft.“
Wie sich auch das Unplanbare planen lässt
Generell sollten im elektronischen Terminkalender – inklusive dem Online-Terminkalender, sofern die Praxen diesen für Terminbuchungen anbieten – Pufferzeiten hinterlegt werden. Nicht nur für dringende Fälle bzw. Notfälle. Die Pufferzeiten müssen auch mögliche Komplikationen oder Außer-der-Reihe-Termine wegen Klinikentlassungen abfedern.
Wichtig ist laut Schluckebier zudem die Analyse im Team: Wo entstehen Patientenzeiten-Diebe? Liegt das Problem wirklich nur in der überbordenden Bürokratie und schwer planbaren Akutfällen? „Halten Sie eine Woche lang genau fest, womit Sie von morgens bis abends Ihre Zeit verbringen“, so ihr Rat.
Dies sollten alle Teammitglieder getrennt voneinander machen und anschließend die Tagesprotokolle in einer Teamsitzung anhand von drei Fragen analysieren:
- Welche Aufgaben/Tätigkeiten beanspruchen die meiste Zeit?
- Was davon lässt sich ändern?
- Was muss gar nicht sein und lässt sich abschaffen? Muss morgens um 7 Uhr etwa schon das gesamte Team startklar sein oder reicht es, wenn eine MFA vor Ort ist und
- die anderen später in den Tag starten?
Sind die Sprechzeiten noch aktuell?
Im nächsten Schritt gehören die Patientenströme evaluiert. Viele Praxen orientierten sich noch an der alten Tradition: morgens Akutsprechstunde, nachmittags Terminsprechstunde und Praxisbetrieb von Montag bis Freitag.
Je nach Patientenklientel und deren Arbeitszeiten könnten sich aber vielleicht ganz andere Sprechzeiten als wirtschaftlich besser und besser für die Personalplanung ergeben.
„Führen Sie ruhig mal über vier Wochen eine Statistik, wann wie viele Patienten in die Praxis kommen, für welche Untersuchungen oder zu welchem Anlass, mit oder ohne Arztkontakt ...“, erläuterte Schluckebier.
Diese Erhebung sollte am besten mitten im Quartal stattfinden, wenn die Praxis auf Hochbetrieb läuft und nicht zum Quartalsende, wenn evtl. wegen des Budgetdeckels planbare Termine gedrosselt werden. Hilfreich sei, dies nach Zeitintervallen zu clustern: Etwa 7 bis 8 Uhr, 8 bis 12 Uhr. 14 bis 17 Uhr, 17 bis 19 Uhr.
Andere Zeiten für die Akutsprechstunde?
Wenn es die Personaldecke hergebe, könne es sich vielleicht als sinnvoll erweisen, keine offizielle Mittagspause zu machen. Zumal die meisten Teams in der Pause ohnehin weiterarbeiteten und sich um Dokumentationen, Organisatorisches und ähnliches kümmerten.
Vielleicht ergäben sich andere Zeiten für die Akutsprechstunde? Und vielleicht ist die Samstagvormittag-Sprechstunde besser als ein weiterer Nachmittag. Schluckebier ermunterte, viel kreativer an die Zeitplanung heranzugehen.
Technik, die entlastet statt belastet
„Und haben Sie keine Angst vor Künstlicher Intelligenz“, appellierte sie. Neben einem Online-Terminkalender könnte nämlich auch ein KI-gestützter Telefonassistent die Praxisteams entlasten. Solche digitalen Assistenten nehmen die Gespräche entweder komplett an, oder werden so geschaltet, dass sie dann einspringen, wenn die MFA nicht ans Telefon gehen können.
Anders als ein reiner Anrufbeantworter führen sie die Patienten durchs Gespräch, so werden auch Notfälle schnell erkannt. „Meistens erhalten die Praxen auch eine Kurzinfo als Text im System und die Audiodateien sind hinterlegt, sodass die MFA oder auch Ärztin und Arzt noch einmal ins Gespräch reinhören können“, berichtete die Praxisberaterin.
So würden Rezeptwünsche fürs Team in Text übersetzt. Wenn diese bearbeitet seien, lasse sich häufig aus dem System heraus eine Info-SMS an den Patienten senden.
Digitaler Telefonassistent als Helfer
„Es lohnt sich in jedem Fall, es einmal auszuprobieren“, sagte sie. Denn die meisten Anbieter böten Testversionen oder kurze Probeverträge an. „Damit werden Sie Ihren Arbeitsplatz nicht kaputt machen, die Zeit, am Telefon zu hängen, haben Sie ja in der Regel gar nicht“, so die Praxisberaterin weiter.
Der digitale Telefonassistent schaffe vielmehr Zeiträume für die Arbeit, die sonst im Sprechzeitenalltag liegen bleibe und dann nach Praxisschluss erledigt werden müsse. „Und sie senken das Stresslevel.“
Verschiedene Terminarten checken
Daneben sollten die Teams noch einmal ihre verschiedenen Terminarten checken. Stimmen die Durchschnittszeiten, die sie für die Termine im Terminmanagementsystem hinterlegt haben? Für einen Neupatienten würde Schluckebier durchaus eine halbe Stunde ansetzen, für den Gesundheits-Check-up, je nachdem, welche Leistungen die Praxis anbietet, mindestens 20 Minuten.
Die Zeiten für die Terminarten werden aber auch von der Ausstattung der Behandlungsräume und den Patientenwegen in der Praxis beeinflusst, erinnerte sie. Wenn sich ein Patient mehrmals aus- und anziehen müsse, weil er die Behandlungsräume wechseln muss, koste das wertvolle Zeit.
„Vor allem, wenn Sie mehr Senioren versorgen. Und im Winter, wenn alle dicker gekleidet sind als im Sommer, macht das ebenfalls einen Unterschied. Da kann es eine Überlegung wert sein, sich ein zweites Sonogerät anzuschaffen.“
Warum nicht zum Kurzgespräch am Stehtisch laden?
Für Kurztermine, wenn Patienten etwa nur schnell unproblematische Laborwerte erfahren wollen oder zusätzliche Infos zu einem Rezept benötigen, könnte ein extra Raum bereit gehalten werden. „Der nicht zu gemütlich, vielleicht mit einem Stehtisch ausgestattet ist, damit er nicht zum langen Verweilen und Plaudern einlädt“, so Schluckebier.
Denn wenn sich Patienten erst einmal setzten und es endlich geschafft hätten, in Ruhe mit einer MFA oder gar Ärztin oder Arzt sprechen zu können, verführe das durchaus dazu, etwas auszuholen. Zeit, die das Team ebenfalls nur schwer wieder reinholt.
Und weil manche Doppelbelegung einfach ein Fehler ist, sollte der Terminkalender im Praxissystem so eingestellt werden, dass sich Zeitslots einzelner Personen immer nur einmal vergeben lassen.
Es braucht Disziplin
Das beste Terminmanagement nützt jedoch nichts, wenn nicht die zugehörige Disziplin gelebt wird, mahnte die Praxisberaterin. „Verständigen Sie sich im Team auf feste Spielregeln, die dann aber auch wirklich alle einhalten.“ Solche Regeln könnten etwa lauten:
- Kein Patient bekommt die Anweisung: „Kommen Sie doch einfach kurz vorbei“.
- Jeder Patient bekommt einen Termin, auch in der Akutsprechstunde (Patienten sollen vorher anrufen) und wenn sie „zwischendurch anrufen“.
- Es werden Pufferzeiten freigehalten.
- Notfälle werden nur als solche versorgt, für weitere Anliegen müssen Patienten einen gesonderten Termin vereinbaren.
Zur Vorsicht rät Schluckebier zudem bei den Sprechzeiten nach einem längeren Praxisurlaub. Hier würde sie die ersten beiden Tage gar keine Termine vorab, also vorgeplant vergeben, denn: „Habe ich drei, vier Wochen am Stück die Praxis zu, rennen mir die Patienten am ersten offenen Montag die Bude ein. Die Patienten kommen also ganz von alleine.“
Wer dann noch langfristig geplante Terminpatienten versorgen müsse, lasse die frisch geladenen Energieakkus gleich wieder leerlaufen.