START DER MEDIZINISCHEN INFORMATIONSOBJEKTE VERZÖGERT SICH
Die elektronische Patientenakte ist noch nicht in der Fläche angekommen. Verbesserungen für Ärzte sollten zum Jahreswechsel die Medizinischen Informationsobjekte (MIO) bringen – eigentlich.
Neu-Isenburg. Die Telematikinfrastruktur (TI) sorgt bei Ärztinnen und Ärzten derzeit nicht gerade für gute Stimmung: Technische Ausfälle, Chaos bei der Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung, eine unzureichende Testphase zum E-Rezept und Lieferengpässe und Verzögerungen seitens der Industrie, die Praxen auf die Ausstattung mit notwendigen technischen Komponenten warten lassen.
„So verwundert es nicht, dass den Vertragsärzten und -psychotherapeuten der Appetit auf die TI vergangen ist. Es brodelt“, fasste Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Stimmung in der Ärzteschaft auf der Vertreterversammlung Anfang Dezember zusammen.
Zu wenig praxistauglich
Nichtsdestotrotz: Die Weiterentwicklung der TI-Anwendungen steht nicht still, der Gesetzgeber hat enge Fristen gesetzt, die eingehalten werden wollen. Ein Beispiel: die elektronische Patientenakte, die gemeinhin als das Kernelement der Digitalisierung des Gesundheitswesens angesehen wird.
Gleichzeitig aber ist sie auch Sinnbild für eine der Anwendungen, die in der Praxis nicht richtig ankommen. Ärztinnen und Ärzten vermissen derzeit noch die Praxistauglichkeit, weil es an einer strukturierten Darstellung von Daten im PVS-System fehlt.
So müssen beispielsweise Impfungen noch immer analog dokumentiert werden – ePA hin und her. Hier sollen die Medizinischen Informationsobjekte, kurz MIO, ab Januar 2022 ansetzen und Abhilfe schaffen.
MIO verzögert sich
MIO sind, vereinfacht gesagt, digitale Übersetzungen analoger Standarddokumente. Sie sollen dazu dienen, medizinische Inhalte maschinenlesbar zu machen und ein wichtiger Baustein der zweiten Ausbaustufe der ePA sein. Start der sogenannten ePA 2.0 ist – so wollen es die gesetzlichen Vorgaben – der 1. Januar 2022. Die Umsetzung der ePA 2.0 zum Jahreswechsel wird sich allem Anschein nach aber verzögern.
Die KBV hat in Sachen MIO zwar ihre Hausaufgaben gemacht und alle bestellten MIO entwickelt: Impfpass, Kinder-Untersuchungsheft, Mutterpass und Zahnbonusheft. In Arbeit sind unter anderem Patientenkurzakte oder Krankenhausentlassbrief. Und trotzdem: „Wie gehen davon aus, dass sich der MIO-Start verzögern wird“, erklärt die KBV auf Anfrage.
Connectathon erfolgreich
Grund dafür: Die zweite Ausbaustufe der elektronischen Patientenakte kann nicht wie ursprünglich geplant zum Jahreswechsel in den Praxen eingeführt werden. Dafür nämlich bräuchte es zugelassene PTV5-Upgrades für die Konnektoren. „Wie wir hören, werden zwei von drei Konnektor-Herstellern ihre zugelassenen Updates für die ePA 2.0 und damit die Nutzung der MIO frühestens zum Ende des ersten Quartals 2022 bereitstellen“, heißt es aus der KBV.
Das bestätigt auch die CompuGroup Medical (CGM) mit Blick auf ihr Konnektor-Upgrade: „Einen flächendeckenden Rollout sehen wir Stand heute nach erfolgreichem Abschluss der Testphase und Sicherstellung der Interoperabilität in der Praxis im zweiten Quartal 2022.“
0,5%
der Versicherten nutzen die elektronische Patientenakte – und das, obwohl 76 Prozent sie grundsätzlich gerne nutzen würden. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom hervor, die Anfang Dezember veröffentlicht wurde.
Konnektor-Hersteller Secunet strebte an, „noch in diesem Jahr“ eine Zulassung für das PTV5-Upgrade zu erhalten. Die PTV5 Version des RISE Konnektors wurde für die kontrollierte Inbetriebnahme zugelassen.
Zumindest in der Theorie können die Medizinischen Informationsobjekte jedenfalls ausgerollt werden, zeigt ein Anfang Dezember durchgeführter „MIO-Connetcathon“ der KBV. Daran haben sich den Angaben zufolge fünf Praxisverwaltungssystem-Hersteller (in Teilen mit mehreren Software-Produkten) beteiligt. Außerdem zwei Hersteller von Apps für Versicherte.
Getestet wurden die MIO Impfpass, Zahnärztliches Bonusheft und der Mutterpass. „Alle Teilnehmenden haben erfolgreich MIO-Beispieldateien erstellt und diese validiert. Auch die Anzeige im Frontend des Versicherten ist gelungen“, bilanziert die KBV.