SOFTWARE MACHT ENTLASSBRIEFE FÜR PATIENTEN VERSTÄNDLICH
Entlassbriefe für Laien? Das Innovationsfondsprojekt PASTA sollte ermöglichen, dass solche Schreiben mithilfe einer Software automatisiert erstellt werden. Einiges ist bereits umgesetzt – und auch für das Arzt-Patienten-Gespräch in der Praxis versprechen die verständlichen Briefe einige Vorteile.
Die individuelle Gesundheitskompetenz (Health Literacy) wird als eine der zentralen Stellschrauben zur Steigerung der patientenseitigen Adhärenz gesehen. Anders herum gesagt: Wer seine gesundheitlichen Probleme, die Behandlungsoptionen und die Art der Eingriffe sowie deren Nach- und Nebenwirkungen versteht, kann auch die gemeinsam mit seiner Ärztin oder seinem Arzt gesetzten Behandlungsziele besser umsetzen. Und seine eigene Krankheit als Patient besser managen.
Hier kommen nun die Entlassbriefe ins Spiel. Ein wesentlicher Hemmschuh ist nämlich die innerärztliche Kommunikation zwischen den mitbehandelnden Haus- und Fach-, aber auch Klinikärzten. „Reguläre Krankenhausbriefe enthalten Informationen, die im Übergang zur nachfolgenden ambulanten Behandlung wichtig sind. Für die Patientinnen und Patienten sind diese Briefe jedoch aufgrund der medizinischen Fachbegriffe häufig unverständlich“, heißt es seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses (G–BA). Abhilfe schaffen sollte hier das Projekt „PASTA – Patientenbriefe nach stationären Aufenthalten“.
Gang zum Drucker genügt
Gefördert vom Innovationsfonds des G-BA, übernahm das Sozialunternehmen „Was hab‘ ich?“ in Gestalt dessen Geschäftsführers Ansgar Jonietz die Projektleitung und konzipierte mit Ärzten sowie Software-Entwicklern im Boot eine Patientenbrief-Software samt medizinischer Inhalte. Mittlerweile kamen am Herzzentrum Dresden rund 8.000 automatisiert erstellte Patientenbriefe im Zuge des Entlassmanagements bei stationären Patienten zum Einsatz. Der Aufwand sei minimal, der Patientenbrief werde in der Regel nach ein paar Tagen – nach abgeschlossener Codierung im Krankenhausinformationssystem (KIS) – ausgedruckt, kuvertiert und dem jeweiligen Patienten per Post zugesandt, erläutert Oliver Wehner, Geschäftsführer des Herzzentrums Dresden, das Prozedere im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.
Ein Bypass-Patient könnte zum Beispiel folgenden Brief in laienverständlicher Sprache erhalten: „Sie hatten eine Bypass-Operation. Dabei wurden verengte Herz-Kranzgefäße durch Ersatz-Blutgefäße überbrückt. ... An mehreren Engstellen wurde bei Ihnen dazu das verengte Herz-Kranzgefäß mit einem körpereigenen Blutgefäß überbrückt. So ein Ersatz-Blutgefäß nennt man auch Bypass. Dadurch soll Ihr Herz wieder besser durchblutet werden. Als Ersatz-Blutgefäß hat man bei Ihnen eine Schlagader verwendet. Schlagadern sind Blutgefäße, die Blut vom Herzen weg befördern. Dadurch werden alle Gewebe vom Körper mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Die Ersatz-Schlagader kann aus dem Brustkorb oder aus dem Unterarm stammen. Bei der Bypass-Operation wurde Ihr Brustkorb eröffnet ...“
Wie Wehner betont, habe das Herzzentrum durchweg positives Feedback von Patientenseite bekommen – statistische Zahlen im Evaluationsbericht des G-BA stützen diese Aussage. Patienten, die einen entsprechenden Brief erhalten hatten, fühlten sich besser über ihre Krankheit und den Eingriff informiert als diejenigen, die nur den Standard-Entlassbrief bekommen hatten. Das Herzzentrum biete den Service niedrigschwellig an, so Wehner: „Bereits bei der Aufnahme werden Patienten gefragt, ob sie einen Patientenbrief erhalten möchten. Bejahen sie das, wird im Patientenaufnahmesystem ein Haken gesetzt. Lehnen sie erst ab, entscheiden sich aber zum Beispiel nach einem Hinweis im Patientenfernsehen doch für den Patientenbrief, so wird der Haken im Nachhinein gesetzt.“
ICD-10 und OPS speisen Software
Wie Jonietz verdeutlicht, beliefen sich die Lizenzgebühren für die Nutzung der Software abhängig von der Klinikgröße auf 500 bis 3.200 Euro monatlich. Eingesetzt werden könne die PASTA-Software seines Unternehmens in allen Disziplinen, deren Dokumentation auf den ICD-10 und dem OPS, dem Operationen- und Prozedurenschlüssel, beruhten. Denn die Textbausteine für die Patientenbriefe stützten sich auf eben diese.
Wie das dann tatsächlich im KIS funktioniert, erklärt Christoph Brandes, der beim Anbieter Dedalus zuständig für die Integration der Software in das KIS Orbis ist: „Anhand der dokumentierten und für die spätere Abrechnung im Orbis-System hinterlegten ICD- und OPS-Codes, die für die Ermittlung der richtigen DRG benötigt werden, zieht sich die Software dann aus dem KIS die entsprechenden Positionen und verknüpft sie mit den Textbausteinen.“
Bereits Anfang 2022 teilte der G-BA mit, PASTA für die Etablierung in der Regelversorgung zu empfehlen. „Bisher ist aber noch rein gar nichts passiert, steht nichts dazu im Rahmenvertrag Entlassmanagement“, sagt Jonietz. Am Zuge wären als Verhandlungspartner laut Paragraf 39 Absatz 1a SGB V der GKV-Spitzenverband – auch als Vertreter der Pflegekassen –, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unter Berücksichtigung der G-BA-Richtlinien.
Pilotprojekte in Praxen laufen bereits
Mit Blick auf das ambulante Versorgungssetting in Haus- und Facharztpraxen verspricht sich Jonietz vom Einsatz der Patientenbriefe vor allem die Stärkung der partizipativen Entscheidungsfindung. Das Gespräch mit dem Patienten könne ruhiger und effektiver geführt werden, wenn durch den individuellen Patientenbrief der nachhaltige Transfer relevanter Informationen sichergestellt sei, ergänzt er.
Anders als in Kliniken, speisten sich die Bausteine für die individuellen Briefe dann aber nicht etwa aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS). „Der Arzt öffnet im Internetbrowser unter meine.patientenbriefe.de das zum jeweiligen Beratungsanlass passende Formular. Innerhalb von maximal 30 Sekunden können nun die auf den Patienten zutreffenden Formularfelder ausgewählt werden. Der Schutz sensibler Patientendaten ist hierbei vollständig gewährleistet, da keine personenbezogenen Daten übertragen oder verarbeitet werden“, sagt Jonietz.
Prototypen für erste Anwendungsfelder, wie beispielsweise HNO, Gynäkologie oder Orthopädie/Unfallchirurgie, würden bereits in Kooperation mit einzelnen Praxen getestet. Auch die Gesundheitsförderung Schweiz teste das Konzept bis Ende 2026 bei den Eidgenossen auf seine Praxistauglichkeit.