RUHESTANDSWELLE ROLLT AUF ÄRZTESCHAFT ZU: BÄK FORDERT ENTSCHLOSSENES HANDELN
Schon 40 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind über 60 Jahre alt, zeigt die neue Ärztestatistik. Dazu kommt der Trend nicht nur bei Älteren, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren. Die Bundesärztekammer ist beunruhigt.
Berlin. Die Baby-Boomer-Welle rollt unerbittlich auf die Ärzteschaft zu. Das werde, wenn nicht schnell gegengesteuert wird, Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben, wie die Bundesärztekammer (BÄK) einmal mehr anlässlich der Vorlage ihrer Ärztestatistik 2022 betont.
„Um in Zukunft eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleisten zu können, braucht es entschlossenes Handeln, um durch den Ausbau von Aus- und Weiterbildungskapazitäten ausreichend ärztlichen Nachwuchs ausbilden zu können“, schreibt die BÄK am Freitag in einer Pressemitteilung.
Zwar ist die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte 2022 im Vergleich zum Vorjahr minimal um 1,2 Prozent auf rund 421.000 gestiegen (siehe nachfolgende Grafik). Damit aber, so die BÄK, sei das Wachstum das dritte Jahr in Folge hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Vor der Pandemie, 2019, war immerhin ein Zuwachs bei den Arztzahlen von 2,5 Prozent erreicht worden. In den Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Brandenburg ging 2022 die Zahl der berufstätigen Ärzte sogar zurück.
Auswanderungen haben zugenommen
Zudem untermalt die Statistik erneut, dass in den kommenden Jahren das Gesundheitswesen einen großen Verlust an ärztlicher Arbeitskraft wird stemmen müssen. Ein großer Teil der Ärzteschaft werde in den Ruhestand gehen. „Ob der Verlust dieser Arbeitszeit in Zukunft kompensiert werden kann, ist ungewiss“, so die Bundesärztekammer.
Für sie weist die Ärztestatistik auf eine „beunruhigende Entwicklung“ hin. Dabei blickt die Kammer unter anderem auf die Tatsache, dass die Zahl der Deutschen, die Mitglied einer Ärztekammer wurden, 2022 knapp fünf Prozent unter dem Wert von 2019 lag; dass die Erstmeldungen ausländischer Ärztinnen und Ärzte seit drei Jahren nicht zunahmen; und dass im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Mediziner als 2021 aus Deutschland abwanderten (insgesamt knapp 2.300 Ärztinnen und Ärzte).
60 Prozent der Ärzte im Rentenalter arbeiten nur Teilzeit
Vor allem aber die demografische Entwicklung verknappe die Zahl an Ärztinnen und Ärzten in der medizinischen Versorgung, so die BÄK. Bereits heute haben fast die Hälfe aller Kollegen (46 Prozent) das 50. Lebensjahr überschritten (siehe nachfolgende Grafik).
28 Prozent aller Fachärztinnen und Fachärzte sind 60 Jahre und älter. Von allen niedergelassenen Ärzten sind schon 41 Prozent über 60 Jahre alt.
Versorgungsrelevant ist dies deshalb, weil auch ältere Mediziner dazu übergehen, in Teilzeit zu arbeiten. So nimmt laut BÄK der Anteil der Ärztinnen und Ärzte, die nicht mehr Vollzeit tätig sind, nach dem 65. Lebensjahr sprunghaft zu auf 58 Prozent. Von den 60- bis 65-Jahre alten Medizinern arbeiten 18 Prozent Teilzeit.
Eine Auswertung von Mikrozensus-Daten zeige, dass die über 65-jährigen Halbtagskräfte mit normalerweise 16 Wochenstunden nur noch rund ein Drittel der Wochenarbeitszeit einer ärztlichen Vollzeitkraft arbeiten.
Fast die Hälfte der Mediziner sind weiblich
Generell scheint es bei Teilzeitkräften einen Trend zu geringeren Arbeitszeiten zu geben. Laut BÄK wurden in diesem Bereich nach Auswertung des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes die Wochenarbeitszeiten von 28 auf 23 Stunden reduziert. - Weitere Zahlen aus der Ärztestatistik 2022:
Von den 421.000 berufstätigen Medizinern sind fast die Hälfte, nämlich 206.000, Ärztinnen.
Im ambulanten Bereich arbeiteten 165.000 Ärztinnen und Ärzte, davon knapp 56.000 als Angestellte. Stationär tätig waren 217.000 Mediziner.
Der Trend zum Anstellungsverhältnis im ambulanten Bereich hält an: Hier verzeichnet die BÄK ein „Rekordwachstum“ von 12,6 Prozent im Vergleich zu 2021.
Die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sank um 3,8 Prozent.
In der Allgemeinmedizin arbeiteten 23.200, im Bereich Innere Medizin knapp 24.800 Ärztinnen und Ärzte.
Die Zahl der Facharztanerkennungen ging um 0,2 Prozent zurück (nach moderatem Wachstum in den Jahren 2020 und 2021).
Im Bereich Zusatz-Weiterbildungen verzeichnet die BÄK ein Plus von 3,3 Prozent. (juk)