RHEUMA - NEUE METHODEN SOLLEN ÄRZTEN BEI RHEUMA-PATIENTEN HELFEN
Fragebögen, Software und Run-In-Sprechstunden gegen Versorgungslücken. Auf einem Symposium zeigten Ärzte neue Möglichkeiten für Rheuma-Patienten.
STUTTGART. 20 Millionen Menschen leiden unter rheumatischen Krankheitsbildern. Doch in Deutschland fehlen Spezialisten. Momentan kommt auf 2000 Patienten ein Rheumatologe. Auf einem von Abbvie unterstützten Symposium wurden beim 45. Kongress der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie neue Ideen vorgestellt, um den Versorgungsengpass zu überwinden.
Dr. Peter Bartz-Bazzanella, Rheumatologe aus Aachen, setzt mit seiner Softwarelösung unter anderem auf die Selbstdiagnose durch Patienten. Sein Modell mit dem Namen "RhePort" soll so dazu beitragen, früher zu diagnostizieren und die Therapie einzuleiten. Neben den Informationen zur Selbstdiagnose gibt es im System einen Bogen mit 22 Fragen. Anhand der Antworten können Betroffene nach Dringlichkeit in Kategorien unterteilt werden.
Abbildungen helfen dem Patienten beim Ausfüllen des Bogens, sich präziser einzuschätzen. Anschließend bekommen die Erkrankten einen Termin zugeteilt. "Dieses System nennen wir Rheuma-Patienten Assistenzsystem, kurz RPAS", erklärte Bartz-Bazzanella. Es enthalte Infos, das Diagnosescreening und den Zuweisungsservice. Das sektorenübergreifende Netzwerk mit Rheumatologen biete eine wohnortnahe und schnelle Terminvergabe. "Innerhalb von 24 Stunden muss sich der Patient mit einem Code beim zugeteilten Arzt melden, ansonsten verfällt der Termin", berichtet der Arzt.
Zusätzlich zum Patienten-System bietet die Software auch für Ärzte eine Ebene an. Jeder kann sich und die Praxis auf der Seite vorstellen. Dabei bestimmt jeder Arzt eigenverantwortlich, wie viele Wochenstunden er RhePort-Patienten widmet. Basis ist das Rheuma-Netzwerk-Integrationssystem (RNIS). "Ein Vorteil ist, dass der Arzt vor dem Treffen die Fallakte vorliegen hat und sich ein erstes Bild machen kann", so der Leiter der Klinik für Internistische Rheumatologie am Rhein-Maas-Klinikum. Daten seien sicher geschützt.
Pilotphase gut überstanden
Das System kommt gut an: Seit der Pilotphase Anfang 2015 ist die Website fast 80.000 Mal angeklickt worden, 1500 Arzttermine wurden vermittelt. Bartz-Bazzanellas Ziel ist es, das Modell in ganz Deutschland einzuführen. Momentan beschränkt es sich auf die Städteregion Aachen, den Kreis Heinsberg, Düren und Mönchengladbach.
Dr. Kirsten Hoeper stellte beim Symposium die Idee "RheumaKOORD" vor. "Wir brauchen Qualitäts- und Versorgungsstandards und müssen Ressourcen bestmöglich nutzen", lautet die These der Ärztin. Ihr Augenmerk liegt auf der geografischen Verteilung der Rheumatologen. "Der Norden Niedersachsens ist unterversorgt, während sich im Rest des Landes Rheumatologen aufreihen", so die Koordinatorin des Rheumazentrums Hannover. "RheumaKOORD" steht daher für schnellere, wohnortnahe Termine, die via koordinierter Patientenlenkung und Delegation ermöglicht wird.
Auch bei diesem Modell ist Dreh- und Angelpunkt ein Fragebogen. Dieser wird telefonisch von einer Fachangestellten (RFA) im Rheumazentrum abgefragt und ausgefüllt. "Um teilzuhaben, müssen Patienten mindestens 18 Jahre alt sein, Erstkontakt mit der Rheumatologie sowie eine Überweisung vorweisen", erklärt Hoeper. So sei es möglich, rund einem Drittel der Patienten einen Termin innerhalb von zwei Wochen zu verschaffen. Idee von "RheumaKOORD" ist auch, Folgetermine von RFA betreuen zu lassen. "Statistiken zeigen, dass Schwestern genauso gute Arbeit leisten, wie Ärzte. Patienten sind meist zufriedener, da die Schwester mehr Zeit für sie haben", so die Koordinatorin. Um die geografische Fehlverteilung auszugleichen, fährt ein Rheuma-Bus. "Bei unserer Bustour im Mai wurden wir geradezu überschwemmt", verdeutlicht Hoeper die hohe Nachfrage.
Mehr Telemedizin einzusetzen, lautet der Appell von Dr. Martin Welcker: Apps gestalten unseren Alltag. Einen Skype-Zugang habe fast jeder. "Die Technik ist da, nutzen wir sie", meint der Münchner Rheumatologe. Sie gestatte es, Patienten aus der Distanz zu behandeln und häufiger Kontakt aufzunehmen. Außerdem könnten Rheumatologen Zeit sparen, wenn RFAs Erstkontakte übernehmen und sich virtuell mit dem Spezialisten absprechen.
Grenzen der Telemedizin
Allerdings habe Telemedizin auch Nachteile, etwa den Verlust der dritten Dimension. "Auch kostet die Organisation der Telemedizin Zeit und Geld", so Welcker. Und es sei ein standardisierter Hintergrund auf Seite des Arztes notwendig, um datentechnische Problemen, wie das Offenliegen einer Akte, zu vermeiden. "Klar bedeutet Technik erst mal mehr Aufwand, aber die Versorgung wird durch Telesprechstunden deutlich verbessert", resümiert der Arzt seine Erfahrungen.
"D-KUR" nennt sich eine Innovation von Dr. Ruben Sengewein und seinem Team der Uniklinik Düsseldorf. "D-KUR ist ein Wahlfach zur normalen studentischen Ausbildung", erklärt der Arzt. Studenten haben dabei den gleichen Tagesablauf, wie die Spezialisten: In Run-In-Sprechstunden bieten sie Behandlungen an. Fachärzte müssen lediglich am Ende der Untersuchung überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. "Das spart Fachärzten Zeit und Studenten lernen etwas", so der Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie. Hauptziel der "Lehrveranstaltung" sei es, dass Lernende entzündlich von degenerativ unterscheiden können. Sogar Hausärzte zeigen Interesse am Projekt und wollen sich in Sachen Rheuma weiterbilden. Bei den Patienten kommt D-KUR gut an "Sie geben den Studenten im Schnitt die Schulnote 1,4." Im Durchschnitt würden sie sogar kompetenter eingeschätzt, als die Spezialisten, so Sengewein.