Praxisschließung wegen Corona-Virus: Entschädigung – Auf die Police kommt es an
Ein konkretes Tätigkeitsverbot eines Arztes oder Praxismitarbeiters infolge einer SARS-CoV-2-Infektion führt zu einem Erstattungsanspruch gegenüber dem Staat. Alle anderen Ausfallkosten können nur mit Versicherungspolicen abgedeckt werden.
Immer wenn die Gesundheitsbehörde ein konkretes Tätigkeitsverbot gegen einen Mitarbeitenden in einer Arztpraxis oder gegen einen Praxisinhaber selbst ausspricht, der auch namentlich genannt ist, greift zunächst der Paragraf 56 Infektionsschutzgesetz. Das heißt, der Arbeitgeber zahlt die Lohnfortzahlung für den Mitarbeitenden mit Tätigkeitsverbot und hat einen Anspruch auf Erstattung durch den Staat, die er an die zuständige Behörde richten muss. Der Anspruch auf Erstattung gilt nach Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auch für den arbeitgebenden Arzt.
Anordnung als Voraussetzung
In Nordrhein-Westfalen erhalten niedergelassene Ärzte, die wegen des Coronavirus von den Behörden vorsorglich unter Quarantäne gestellt werden, eine Entschädigung von den Landschaftsverbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL). Voraussetzung für Zahlungen ist, dass die Quarantäne durch die zuständigen Gesundheitsämter angeordnet worden ist.
LVR und LWL leisten bei Verdienstausfällen von Arbeitnehmern sowie von Selbstständigen inklusive der Freien Berufe. Niedergelassene Ärzte haben Anspruch vom ersten Tag der Quarantäne an und müssen den Antrag auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten nach Ende der Quarantäne bei dem für sie zuständigen Landschaftsverband stellen.
Vorleistung des Praxisinhabers
Bei Praxismitarbeitern und angestellten Ärzten gilt wie bei allen Arbeitnehmern: Die Arbeitgeber müssen als Teil der Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen in Vorleistung treten. Sie erhalten die ausgezahlten Beiträge auf Antrag vom Landschaftsverband erstattet. Er zahlt im Bedarfsfall ab der siebten Woche direkt an die Betroffenen.
„Die Entschädigung entspricht der Höhe des gesetzlichen Krankengeldes“, teilen LVR und LWL mit. Arbeitnehmer müssen sich nicht selbst um die Entschädigung kümmern, das läuft automatisch über den Antrag des Arbeitgebers.
Was an weiteren Kosten während des Tätigkeitsverbots für einzelne Mitarbeiter noch übrig bleibt, zum Beispiel für Ersatzpersonal, deckt dann die Betriebsschließungsversicherung. Dazu gehören auch die Kosten für die Desinfektion sowie für Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen.
Was Versicherungen leisten
Bei dem auf das Gesundheitswesen spezialisierten Makler Ecclesia med in Detmold gehen zurzeit viele Anfragen von niedergelassenen Ärzten ein. Sie erkundigen sich nach Absicherungsmöglichkeiten für den Fall, dass sie die Praxis wegen des Coronavirus schließen müssen – weil sie selbst oder Mitarbeiter sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben.
Viele Ärzte erkundigen sich nach einer Praxisausfallversicherung, berichtet Nadja Bürger, Geschäftsführerin von Ecclesia med, auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“. „Die Praxisausfallversicherung deckt das Risiko des Praxisinhabers, wenn er die Praxis aufgrund einer behördlichen Anordnung in Zusammenhang mit einem Infektionsfall schließen muss“, erläutert sie.
Bei der Praxisausfallversicherung ist nach Angaben Bürgers einiges zu beachten: Meist gibt es bei solchen Policen eine Karenzzeit, sie greifen nicht vom ersten Tag der Schließung an. Die Deckung greift nur, wenn die Praxis aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen wurde. Anders sieht es aus, wenn der Arzt nur den Verdacht hat, dass er oder einer seiner Mitarbeitern sich infiziert hat.
Selbst wenn ein Mitarbeiter bereits unter Quarantäne steht und die Behörde ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hat, ist das kein Fall für die Praxisausfallversicherung. Denn sie deckt nur die Erkrankung des Arztes selbst – und zwar an einer im Infektionsschutzgesetz aufgelisteten Krankheit.
Es sei aber sinnvoll, auch das Team zu berücksichtigen, betont sie. Schließlich ist es schwierig, eine Praxis zu führen, wenn zwar der Arzt gesund ist, aber alle anderen wegen Krankheit ausfallen.
Neue Policen kaum bekannt
Das Konzept der Praxisausfallversicherung hält Bürger für veraltet. Inzwischen gebe es Betriebsschließungsversicherungen, die den modernen Anforderungen deutlich besser entsprechen. Allerdings seien diese Policen bei niedergelassenen Ärzten noch nicht sehr bekannt – nicht zuletzt deshalb, weil auch viele Versicherungsvermittler sich damit nicht auskennen.
Anders sehe es bei Krankenhäusern, Altenheimen oder Kindergärten aus. Sie würden sich schon gegen die Schließung aufgrund von Infektionskrankheiten absichern.
Diese Police greift nach Angaben von Bürger bereits, wenn der Arzt die Praxis aufgrund einer behördlichen Empfehlung schließt, auch wenn noch keine Anordnung vorliegt. Außerdem seien auch Maßnahmen wie die Desinfektion der Praxis oder eine Teilschließung vom Versicherungsschutz erfasst.
Information an Behörden wichtig
Egal, ob ein Arzt eine Praxisausfallversicherung oder eine Betriebsschließungspolice hat: Er muss die zuständigen Behörden einschalten und sollte einen vermuteten Infektionsfall möglichst früh seinem Versicherer melden. Wichtig sei die Information, um welchen Erreger es sich handelt und mit welchen Kosten der Arzt durch die Infektion und die Schließung rechnet, empfiehlt Bürger. „Je mehr man vorarbeitet, desto besser.“
Wichtig ist, dass der Praxisinhaber im engen Austausch mit den Behörden bleibt und ihren Anweisungen Folge leistet. „Das Schlimmste ist, sich nicht zu melden, weil man die Konsequenzen fürchtet“, betont sie. Grob fahrlässiges Verhalten kann den Versicherungsschutz gefährden.
Bei der Praxisausfallversicherung ist der Versicherungsschutz auf die Krankheiten beschränkt, die im Infektionsschutzgesetz aufgelistet sind. Die Betriebsschließungspolice greife dagegen schon bei Infektionen, die noch nicht explizit im Gesetz stehen, erläutert Bürger.
Eine Betriebsschließungspolice muss nicht teuer sein, betont die Expertin. „Die Prämie hängt vom Umsatz ab.“ Schon für einige hundert Euro sei die Deckung zu bekommen.
Ärzte, die sich angesichts des Coronavirus für eine solche Police interessieren, sollten nicht zu lange warten, empfiehlt sie. Denn manche Anbieter haben den Versicherungsschutz für Neuabschlüsse in Bezug auf Corona schon eingeschränkt.
Versicherer geben sich beim Thema Praxisausfallversicherung oder Betriebsschließungsversicherung zugeknöpft. Pauschale Aussagen könne man zu dem Thema nicht machen, da es sich um individuelle Vereinbarungen handele und die Gründe für eine Schließung sehr unterschiedlich gelagert sein könnten, teilt die Axa auf Anfrage mit. „Wir empfehlen unseren Kunden, sich für ihre individuellen Fragen vorab mit ihrem Vertriebspartner in Verbindung zu setzen.“ Damit meint die Axa Versicherungsvertreter oder Makler. (Mitarbeit: syc)