PATIENTENGESPRÄCH: DIESE FÜNF VERHALTENSWEISEN FÖRDERN DEN ARZT-PATIENTEN-KONTAKT
Durch die Arbeitsbedingungen in der Medizin wird es immer schwieriger, tragfähige Arzt-Patienten-Beziehungen herzustellen. In einer Studie wurden nun fünf Verhaltensweisen identifiziert, mit denen es trotzdem gelingen kann.
Stanford. Zeitmangel, Gerätediagnostik und Bürokratie führen oft dazu, dass das Gespräch mit dem Patienten zu kurz kommt. Das ist für Patienten wie Ärzte frustrierend und kann Missverständnisse und Behandlungsfehler zur Folge haben. Mitarbeiter der kalifornischen Stanford University haben deshalb nach Maßnahmen gesucht, mit denen der Kontakt zum Patienten auch unter diesen schwierigen Bedingungen gelingen kann. Dazu haben sie die einschlägige Fachliteratur – über 70 Studien, die meisten randomisiert und kontrolliert – gesichtet und die Ergebnisse anschließend in einem Delphi-Verfahren von Medizinern und Patientenvertretern bewerten lassen.
Evidenzbasierte Verhaltensweisen
So haben sie fünf evidenzbasierte Verhaltensweisen ausgemacht, die zur „Präsenz“ – das heißt Wahrnehmung, Fokussierung und Aufmerksamkeit – des Arztes im Patientengespräch beitragen und damit die Grundlage für eine funktionierende Arzt-Patienten-Beziehung schaffen können.
- Auf den Patienten vorbereiten: Dazu werden zwei Schritte empfohlen. Zunächst sollte sich der Arzt vor dem Kontakt anhand der Krankenakte (nochmals) mit der Patientengeschichte, und zwar nicht nur mit der medizinischen, vertraut machen. Danach sollte er eine kurze Pause einlegen, um sich auf den Patienten zu konzentrieren. Dieser zweite Schritt kann mit Routinen wie dem Waschen der Hände oder einem Ritual, etwa dreimaligem tiefem Durchatmen, verbunden werden.
- Aufmerksam und vollständig zuhören: Die Bereitschaft dazu signalisieren Ärzte, wenn sie sich setzen, sich dem Patienten zuwenden und auch sonst durch ihre Körpersprache Offenheit signalisieren. Außerdem sollen sie zumindest bei der ersten Darstellung eines Gesundheitsproblems auf Unterbrechungen möglichst verzichten. Ein solches Vorgehen führt Studien zufolge nicht zu einer wesentlichen Verlängerung der Konsultation und hat den Vorteil, dass der Arzt mehr medizinisch relevante Informationen erhält und der Patient sich weniger Sorgen macht.
- Sich über Prioritäten verständigen: Dazu müssen Ärzte in Erfahrung bringen, welches gesundheitliche Anliegen für den Patienten aktuell am dringlichsten ist und dies in die Agenda aufnehmen. Damit Sorgen nicht unausgesprochen bleiben oder erst genannt werden, wenn der Arzt schon die Türklinke in der Hand hat, ist es hilfreich, gegen Ende des Gesprächs nachzuhaken („Gibt es sonst noch etwas, das wir besprechen sollten?“).
- Verbindung mit der Geschichte des Patienten herstellen: Damit ist zweierlei gemeint: Zum einen geht es darum, persönliche Lebensumstände in Betracht zu ziehen, die Einfluss auf die Gesundheit des Patienten haben. Zum anderen sollen gesundheitliche Anstrengungen und kleine Erfolge des Patienten, etwa im Hinblick auf eine gesündere Lebensführung, angemessen gewürdigt werden.
- Emotionale Zeichen erkennen: Empfohlen wird, auf verbale und nonverbale Hinweise zu achten sowie den Patienten direkt zu fragen, wie es ihm mit etwas geht. Die wahrgenommenen Emotionen sollten dem Patienten widergespiegelt werden („Das klingt sehr schwierig“, „Ich sehe, dass Sie das sehr beschäftigt“). Studien zeigen, dass Patienten diese Bemühung wertschätzen.
Quelle: Zulman D et al. Practices to Foster Physician Presence and Connection With Patients in the Clinical Encounter. JAMA 2020;323(1):70-81