LEITFADEN FÜR ÄRZTE: NEBENWIRKUNGEN RICHTIG MELDEN
Viele Ärzte melden unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht – oft, weil sie sich nicht sicher sind, welche UAW wirklich wichtig sind. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat nun einen Leitfaden herausgebracht.
BERLIN. Mit der im März in erster Auflage herausgebrachten 12-seitigen Broschüre "Nebenwirkungen melden" reagiert die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf eine hauseigene Online-Umfrage, an der voriges Jahr 1700 Ärzte teilgenommen hatten.
Gefragt wurde unter anderem nach den Gründen, warum unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nicht gemeldet werden. Neben "Zeitmangel" am häufigsten genannt: ganz allgemein fehlende Informationen zum Meldesystem sowie Unkenntnis, welche Nebenwirkungen gemeldet werden sollten.
Anders als Pharmaunternehmen, die gesetzlich verpflichtet sind, ihnen bekanntwerdende Nebenwirkungen an die europäische EudraVigilance-Datenbank oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden, wird Ärzten lediglich berufsrechtlich aufgegeben, der AkdÄ unerwünschte Arzneimittelwirkungen anzuzeigen (§ 6 Musterberufsordnung).
"Ärzte sind gute Filterstationen"
Welche UAW sollten gemeldet werden?
- Alle Nebenwirkungen, die einem Arzt relevant erscheinen,
- insbesondere UAW, die nicht in der Packungsbeilage aufgeführt sind,
- schwerwiegende Nebenwirkungen,
- sowie UAW von Arzneimitteln, die weniger als fünf Jahre im Markt sind.
- Meldungen an die AkdÄ können per Post, Fax, E-Mail oder direkt auf der Website erfolgen: www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/
(Quelle: AkdÄ)
Und wenn sie dem nachkommen, dann offenkundig sehr gewissenhaft. "Die Meldungen an die AkdÄ enthalten häufig eine Fülle medizinischer Informationen, die eine vertiefte Bewertung erlauben", berichtet die AkdÄ.
Was vom Paul Ehrlich Institut, einer weiteren Oberbehörde, die UAW-Meldungen, insbesondere zu Impfstoffen, entgegennimmt, bestätigt wird: Ärztliche Meldungen seien meist "sehr gut", so eine Behördensprecherin, "weil häufig auch Entlassbriefe und andere Anamnese-Unterlagen mitgeschickt werden, die nützlich für die weitere Einordnung berichteter Verdachtsfälle sind".
Zudem zeichneten sich Mediziner-Meldungen durch Stringenz und Verlässlichkeit aus, "Ärzte sind gute Filterstationen, weil sie Wichtiges von Unwichtigem trennen können."
3600 Verdachtsberichte
2018 verzeichnete die AkdÄ nach eigenen Angaben rund 3600 Verdachtsberichte über Arzneimittel-Nebenwirkungen. Damit liege, heißt es, das Meldeaufkommen ärztlicherseits auf dem Niveau der Vorjahre. "Seit 2009 schwanken die Berichtszahlen zwischen 2700 und 4000 pro Jahr."
Anzumerken ist, dass es sich dabei nicht um die Gesamtmenge ärztlich erstellter UAW-Berichte handelt, da ja auch BfArM und PEI Meldungen entgegennehmen und Überschneidungen deshalb nicht auszuschließen sind.
Mit einem Anteil von zuletzt 55 Prozent kämen die meisten Meldungen von Niedergelassenen, versichert die AkdÄ; das Gros entfalle auf Hausärzte. Im internationalen Vergleich und in Relation zur Bevölkerungszahl liege das UAW-Meldeaufkommen hierzulande "etwa im Mittelfeld", so die AkdÄ.
Höhere Melderaten gebe es etwa in Großbritannien, Skandinavien oder Neuseeland. Wobei es aus Sicht der Pharmakovigilanz-Profis generell etwas mehr sein dürfte. "Das sogenannte Underreporting ist ein globales Problem".
Pharmafirmen steuern die meisten Meldungen bei
Dem BfArM lagen 2018 rund 21.300 UAW-Meldungen vor – bei laut Marktforscher Iqvia im gleichen Zeitraum knapp 98 Milliarden abgegebenen Arzneimittelpackungen, -zubereitungen und Impfstoffdosen. Die meisten Meldungen steuerten Pharmafirmen bei (6746).
Ärzte, Apotheker und Zahnärzte sowie deren Arzneimittelkommissionen reichten in Summe 11.141 Erst- und Folgemeldungen ein. 3468 Verdachtsmeldungen kamen direkt von den Patienten.