LABOR: DIAGNOSTISCHE PFADE GEGEN ÜBERVERSORGUNG
In der Labordiagnostik herrscht großes Einsparpotenzial – und zwar bei den Laboranforderungen, sind Labormediziner überzeugt. Sie sehen bei anfordernden Ärzten noch Bedarf nach mehr fachlicher Unterstützung.
OLDENBURG. Laborärzte können ihre anfordernden Kollegen bei der Indikationsstellung unterstützen. Das betonte Dr. Michael Müller, 1. Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Akkreditierte Labore in der Medizin – ALM e.V., auf der 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) in Oldenburg. Die Auswahl der Labor-Untersuchungen für eine bestimmte Erkrankung sei sehr groß, so Müller: "Wir können helfen, die Untersuchung mit der bestmöglichen Aussagekraft zu finden. Darin sehen wir eine große Aufgabe der Labormedizin."
Seien es steigende Fallzahlen oder neue Leistungen – tatsächlich ist solche Hilfe auch angesichts steigender Laboranforderungen nach Ansicht Müllers das Mittel der Wahl. Indessen habe die Bundesärztekammer in ihrer Stellungnahme zur Medizinischen Indikationsstellung und Ökonomisierung festgehalten, die medizinische Indikation bleibe das Kernstück ärztlicher Legitimation und dürfe nicht der Ökonomisierung preisgegeben werden. So gelte es also, einen Ausgleich zu finden zwischen höherem Preis und größerer Effektivität der Laboruntersuchungen.
"Also versuchen wir, die Qualität unserer Arbeit zu steigern und die passenden Untersuchungen zu finden", hieß es. So könnte der anfordernde Arzt bereits beim Ausfüllen der Überweisungsscheine zum Beispiel notieren, welche Untersuchungen schon stattgefunden haben. Dann stelle ihm das Labor gleich die richtigen Informationen zur Verfügung. "So kann er seine Entscheidungen treffen, ohne lange nachschlagen zu müssen", so Müller. "Dazu fehlt ihm vielleicht auch die Zeit."
Aber liegen die Anforderungen tatsächlich so oft falsch? "Es gibt derzeit keine strukturierte Untersuchung darüber, wie oft der zuweisende Arzt Untersuchungen anfordert, die nicht weiterführen. Wir wollen dieser Frage in ALM nachgehen", so Müller zur "Ärzte Zeitung" auf Nachfrage. Klar sei indessen, dass es auch in der Labormedizin Über-, Unter- und Fehlversorgung gebe. "Aber wir wissen eben nicht, in welchem Maße."
Ganz ohne Anhaltspunkt ist man aber nicht. Eine Mitgliederbefragung der Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) habe ergeben: 79,3 Prozent der Befragten sehen in der Labordiagnostik den Bereich, in dem am ehesten Überversorgung stattfindet. Nur in der Bildgebung sehen noch mehr Ärzte oft überflüssige Leistungen, und zwar 84,2 Prozent. "Allerdings ist dies nur eine grobe Einschätzung", so Müller.
Wie die Unterstützung bei der Indikationsstellung funktionieren kann, zeigen nach Worten Müllers diagnostische Pfade. "Wir haben bei uns im Berliner Labor 28 seit 2014 eine Reihe dieser Pfade interdisziplinär entwickelt", sagte Müller. Durch sie werde überflüssige Diagnostik vermieden, wesentliche Messgrößen würden nicht übersehen. Eine Umfrage in diesem Jahr ergab, dass mehr als 75 Prozent der teilnehmenden Ärzte mit den Pfaden sehr zufrieden oder zufrieden waren. Unzufriedene oder gar sehr Unzufriedene gab es demnach nicht.