Gesundheitsdatennutzung: Ohne klare Regeln für Ärzte geht nichts
Gesundheitsdaten haben das Potenzial, die medizinische Forschung weit voranzubringen und die Patientenversorgung zu verbessern, betont die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO). Doch bei der Gesundheitsdatennutzung seien wichtige Punkte zu beachten.
Auf nationaler und europäischer Ebene sind die Gesetzgeber bemüht, rechtliche Klarheit für die Nutzung von Patientendaten zu schaffen. Dabei geht es ihnen um die primäre und um die auch kommerzielle Sekundärnutzung der Daten. Das beweisen mehrere Gesetzesinitiativen:
• Das von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach für diese Legislaturperiode avisierte Gesundheitsdatennutzungsgesetz
• der im Mai 2022 in Brüssel seitens der EU-Kommission vorgestellte Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraumes (European Health Data Sopace/EHDS)
• das bereits im vergangenen Jahr verabschiedete EU-Daten-Governance-Gesetz (Data Governance Act/DGA)
Bloß keine Mehrfach-Dokumentation
In einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme zur „Bereitstellung und Nutzung von Behandlungsdaten zu Forschungszwecken“ adressiert die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) vor allem die Berliner Ampelkoalition mit zwei essenziellen Desideraten.
„Der aktuell hauptsächlich von den Leistungserbringern zu tätigende hohe zusätzliche Dokumentationsaufwand bedarf aus Sicht der ZEKO einer besonderen Beachtung, damit keine negativen Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen resultieren. Um Daten aus Kliniken und Praxen und zukünftig sogar EU-weit standortübergreifend zusammenzuführen, sind zudem in hohem Maße Harmonisierungs- und Standardisierungsmechanismen zur Gewährleistung von Interoperabilität und Datenqualität sowie zur Vermeidung von Mehrfach-Dokumentationen notwendig“, heißt es in der Stellungnahme. Zudem müsse ein wirksamer Schutz der informationellen Selbstbestimmung sowie der Privatsphäre der Datengebenden sichergestellt sein.
Wie die ZEKO hervorhebt, haben Gesundheitsdaten aus ihrer Sicht das Potenzial, die medizinische Forschung weit voranzubringen und die Patientenversorgung zu verbessern. Explizit erinnert sie die Ärzte in Praxen, MVZ und Kliniken auch daran, dass die Kommission den EHDS wie auch den DGA als Verordnungen angelegt haben, die 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden müssten – deutsche Sonderwege dürften damit ausgeschlossen sein.
Ruf nach Datendokumentaren
Die ZEKO zeigt sich in ihren Empfehlungen sehr praxisorientiert, aber auch sehr fordernd. So rät sie, die unterschiedlichen Bestrebungen zu fördern, die primäre Behandlungsdokumentation nicht nur elektronisch zu erfassen, sondern auch eine Schnittstelle zu schaffen, um die sekundäre Datennutzung zu ermöglichen.
„Dafür sollten bedienungsfreundliche Software und interoperable Lösungen geschaffen werden, damit zumindest perspektivisch der zusätzliche Dokumentationsaufwand reduziert wird“, steht es in der Stellungnahme zu lesen.
Bei Ausweitung der Dokumentationspflichten für die Forschung sollte überdies mittelfristig eine neue, spezielle Berufsgruppe von Datendokumentaren geschaffen werden, die solche Aufgaben zur Entlastung von Ärzten und weiterem Gesundheitsfachpersonal übernimmt – die sich automatisch stellende Finanzierungsfrage wird nicht adressiert.
ePA-Beratungsstellen gefordert
Die ZEKO nimmt die versorgenden Ärzte in puncto Sekundärnutzung explizit in die Pflicht – ein proaktives Ansprechen der Patienten im Hinblick auf die Bereitstellung ihrer Behandlungsdaten zu Forschungszwecken sei erwünscht. Bei der Aufklärung sei es wichtig zu vermitteln, dass die Primärversorgung unbehelligt von jeder Sekundärnutzung von Behandlungsdaten im Mittelpunkt stehe.
In puncto elektronischer Patientenakte (ePA) – der Gesetzgeber sieht für die Inhaber die Option der freiwilligen Datenspende vor – betont die ZEKO, die Information der Versicherten über die ePA stelle eine anspruchsvolle Aufgabe dar, die nur zum Teil von Ärzten übernommen werden könne. Sie fordert daher die Einrichtung von Beratungsstellen, die Patienten auch im Hinblick auf komplexere Fragen zum Datenmanagement unabhängig beraten sollten.
Des Weiteren plädiert die ZEKO dafür, geeignete Transparenz-, Aufsichts- und Rechenschaftsstrukturen zu schaffen, welche die Datensicherheit, die Einhaltung ethischer Standards und die Wahrung der Grundrechte von Patienten beim Datenhandling, der Verarbeitung und dem Datenzugang sichern.
„Daher ist die Einrichtung von Treuhandstellen als zwischengeschaltete, unabhängige Instanzen, wie sie Daten-Governance-Verordnung und EHDS fordern, zu begrüßen und zu forcieren“, heißt es. In Data Governance-Gremien sollten dann Vertreter von Patientenschutz-, Datenschutz- und Verbraucherschutzinteressen repräsentiert sein.