Gesetzgebung – MVZ Debatte
„Unterkomplex diskutiertes Stammtischthema“
„Profitorientierte Ketten von Arztpraxen feiern wahrscheinlich ihr letztes schönes Weihnachten.“ Als Bundesgesundheitsminister Lauterbach diese seither viel zitierte Ankündigung im Dezember 2022 über den Kurznachrichtendienst Twitter (der damals noch so hieß) verbreiten ließ, dürften bei Berufsverbänden und KVen die Sektkorken geknallt haben.
Fand doch endlich die von konservativen Standesvertretern seit Jahren beharrlich erhobene Anschuldigung im Gesundheitsministerium Gehör: Private-Equity-Fonds seien schon ihrem Begriff nach „nur“ an Rendite interessiert, weshalb in den von ihnen kontrollierten Einrichtungen Medizin lediglich Mittel zum Zweck und daher qualitativ auf der Strecke bleiben müsse.
Einzelfälle werden von den Medien gerne aufgegriffen und zum Systemproblem hochgejazzt. Erfahrungswerte, die auch nur annähernd die Allgemeingültigkeit dieses Narrativs bestätigen, bleiben seine Adepten bis heute schuldig.
Dennoch wurde im BMG dem Vernehmen nach unmittelbar im Anschluss an Lauterbachs Ankündigung mit dem Entwurf einer MVZ-Regulation begonnen. Von der die Öffentlichkeit bisher noch nichts gesehen hat. Wohl hauptsächlich des Koalitionsbruchs wegen. Eigentlich hätte sie per Änderungsantrag in die parlamentarische Beratung des Versorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) eingebracht werden sollen. Wenige Tage vor der entscheidenden Ausschuss-Sitzung ging der Ampel das Licht aus.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Welche Steine investorengeführten Versorgungszentren („iMVZ“) in den Weg hätten gelegt werden sollen, lässt sich immerhin erahnen. Aus Fraktionskreisen der Grünen verlautet, koalitionsintern sei darüber gesprochen worden, mehr Transparenz hinsichtlich MVZ-Eigentumsverhältnissen zu schaffen oder KVen zu ermöglichen, selbst MVZ zu gründen.
Vor allem aber soll der MVZ-Betrieb durch Kliniken regional und fachlich – nämlich analog deren stationärer Ausrichtung – limitiert werden. Ein Vorschlag, der bereits 2018 in einer Stellungnahme des Bundesrats zum Terminservicegesetz (TSVG) ausformuliert auf den Tisch kam, im weiteren Verlauf aber wieder abgeräumt wurde.
Vieles aus dem überbordenden Fundus der von Kammern, KVen oder den Bundesländern im Laufe der Zeit vorgebrachten Regulationsvorschläge scheint demnach gar nicht erst in der engeren Wahl: Weder eine Marktanteils-, noch eine Arztsitzbegrenzung, weder die Abschaffung des Sitzerwerbs durch Anstellung, noch die Streichung der vor einer Dekade erst eingeführten Option, MVZ ausschließlich einer Fachrichtung zu gründen. Und erst recht kein Verbot von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen.
Eine Gebietsbeschränkung der MVZ-Gründungsbefugnis für Kliniken wäre allerdings – der erklärten Zielsetzung nach, Investoren aus dem Markt zu drängen – folgerichtig: Investoren können nur mittelbar, als Gesellschafter sozialrechtlich zulässiger MVZ-Träger an ambulanter Medizin partizipieren, üblicherweise via Klinikerwerb. Mit einer Verengung des lokalen und operativen Radius‘ von Klinik-MVZ wird die von institutionellen Anlegern bevorzugte Buy-and-Build-Strategie (Akquisition, Konsolidierung, Wertsteigerung) ausgebremst.
Berufsfreiheit tangiert
Oder wie es der Staatsrechtler Professor Martin Burgi in einem Rechtsgutachten („Verfassungs- und europarechtliche Grenzen weiterer MVZ-Regulierungen“) formuliert: „Mit dem Erwerb von Anteilen an einem zugelassenen Krankenhaus könnte dann nur noch der Beruf des Trägers eines Klinik-MVZ, nicht aber der Beruf als Träger eines klinikunabhängigen (d. h. gebietsunabhängigen – red.) MVZ gewählt werden.“
Letzteren aber habe der Gesetzgeber 2004 selbst kreiert, indem er Kliniken die MVZ-Gründungsbefugnis allein aufgrund des Status’ „zugelassenes Krankenhaus“ eingeräumt hat. Ein „Verbot von MVZ ohne örtlichen und fachlichen Bezug“ hält Burgi deshalb für unvereinbar sowohl mit der innereuropäischen Niederlassungsfreiheit als auch mit den Anforderungen an Grundrechtseingriffe zum Nachteil der Trägerunternehmen.
Jenseits der rechtlichen Perspektive wären zudem Folgeprobleme für die Sicherstellung nicht auszuschließen – wenn denn, wie vielfach von Ärztefunktionären behauptet, überhaupt stimmt, dass iMVZ wie Pilze aus dem Boden schießen oder in einzelnen Fachgruppen bereits monopolistische Marktdominanz erlangt hätten. Jedenfalls träfe die Regelungsabsicht auch lokal- und fachübergreifende Versorgerstrategien, die von Kliniken ohne Investorenhintergrund ausgehen.
Umgekehrt bliebe – Stichwort „Lex Helios“ – ein überregionales MVZ-Angebot all jenen Klinikunternehmen vorbehalten, die bereits im stationären Kerngeschäft überregional positioniert sind. Oder die das nötige Kapital mitbringen, sich entsprechend aufzustellen. Hinsichtlich konkreter Eigentumsverhältnisse fällt diese Konsequenz jedenfalls indifferent aus.
Eine Frage persönlicher Vorlieben
Was wird nun daraus? Liegt im BMG ein fertiges Paragrafenpaket, das demnächst nur noch aus der Schublade gezogen wird? Oder hat sich das Vorhaben, privaten Kapitalgebern den MVZ-Zugang maximal unattraktiv zu machen, mit der Ampel-Legislatur erledigt? In den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien findet die kleinteilige MVZ-Thematik keine Beachtung. Lediglich bei den Linken heißt es Lauterbach-like: „Private-Equity-Unternehmen investieren in großem Stil in Pflegeeinrichtungen und MVZ, trimmen sie auf Profite und verkaufen sie teurer weiter. Das wollen wir stoppen!“
Quelle: Ärzte Zeitung - Springer Medizin Verlag GmbH