GEFÄLSCHTE REZEPTE: KASSE FORDERT VERGEBLICH 80.000 EURO ZURÜCK
Ein niedergelassener Arzt muss für das betrügerische Handeln einer Praxisangestellten wegen Fälschens und der Weitergabe verschreibungspflichtiger Rezepte regelmäßig nicht haften. Nur wenn er schuldhaft seinen Angestellten unterschriebene Blankorezepte mitsamt Praxisstempel überlässt, kommt eine Haftung in Betracht, entschied das Sozialgericht Schwerin in einem aktuell veröffentlichten Urteil.
Im Streitfall hatte ein in Mecklenburg-Vorpommern niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie die Staatsanwaltschaft über Auffälligkeiten in seinen Verordnungen für das Medikament Genotropin informiert. Er führte an, dass von September 2012 bis Juli 2013 ohne sein Wissen über seine Betriebsstättennummer das in der Body-Builder-Szene verwendete, wachtsumsfördernde Hormon 101-mal verordnet und abgerechnet worden sei.
Im darauffolgenden Strafverfahren stellte das Landgericht fest, dass eine Praxismitarbeiterin auf den Rezepten die Unterschrift des Arztes gefälscht und diese an eine Komplizin, eine Apotheken-Beschäftigte, weitergegeben hatte. Das Duo erschlich sich so Genotropin-Packungen im Gesamtverkaufswert von über 365.000 Euro. Das Medikament wurde auf dem Schwarzmarkt verkauft. Die Praxismitarbeiterin wurde wegen gemeinschaftlichen Betrugs und vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Prüfungsstelle konnte kein Verschulden des Arztes erkennen
Die klagende Krankenkasse meinte, dass der Arzt für den bei ihr angefallenen Schaden in Höhe von knapp 80.000 Euro haften müsse. Sie beantragte bei der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen die Regressfestsetzung. Laut Aussage der Praxismitarbeiterin habe der Arzt unterschriebene Blankorezepte und den Praxisstempel den Angestellten überlassen. Damit trage er eine Mitschuld. Die Prüfungsstelle konnte kein Verschulden des Arztes erkennen.
Das Sozialgericht wies die Klage der Krankenkasse ab. Zwar könne die Ausstellung und „unkontrollierte Aufbewahrung unterschriebener Blankorezepte ein gröblicher Pflichtenverstoß sein. Dies sei hier aber nicht belegt. Die Praxismitarbeiterin habe das Bereithalten unterschriebener Blankorezepte erst gegen Ende des Strafverfahrens „interessengeleitet“ behauptet, um ihr eigenes Strafmaß verringern zu können. Tatsächlich sei die Unterschrift des Arztes gefälscht worden.
Die Praxismitarbeiterin sei auch nicht als „Erfüllungsgehilfin“ für den Arzt tätig geworden. Denn der Arzt habe in keinen Fall hinsichtlich der Genotropin-Verschreibungen die Behandlung von Patienten auf die Arzthelferin übertragen. Eine Haftung scheide damit aus. (fl)
Sozialgericht Schwerin, Az.: S 6 KA 15/20