FERNBEHANDLUNG: JETZT SIND LEIT- UND RICHTLINIEN GEFRAGT
Eine Information der Patienten, dass die Praxis Videosprechstunden anbietet, fällt nicht unter das Werbeverbot für Fernbehandlungen.
Bad Homburg. Mit ihrer Klage gegen die Bewerbung der Fernbehandlung durch den privaten Krankenversicherer Ottonova war die Wettbewerbszentrale durch sämtliche Instanzen erfolgreich. Was bedeutet das Urteil im Alltag?
Dürfen Praxisinhaber noch für Videosprechstunden werben – und wenn ja, in welcher Form? Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, sieht jetzt vor allem Fachgesellschaften und Selbstverwaltungsgremien – etwa den GBA – gefordert, Leit- oder Richtlinien zu entwickeln, in denen die fachlichen Standards telemedizinischer Versorgung verankert werden.
„Ball zurückgespielt“
Die Ärzteschaft, so Köber, habe die Fernbehandlung zwar berufsrechtlich freigegeben. Doch die anschließend in Paragraf 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) eingefügte Erlaubnis, Fernbehandlungen zu bewerben („wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“), sei durch berufsrechtliche Regularien eben nicht gedeckt. Das hatte auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil betont.
Damit habe Karlsruhe „den Ball an die Ärzteschaft zurückgespielt“, die nun definieren müsse, welche Indikationen der Fernbehandlung unter welchen Bedingungen offen stehen. Solange solche Richtlinienhinweise nicht vorliegen, bleibe Werbung für Videosprechstunden wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Das betreffe allerdings keineswegs Hinweise etwa auf der Website, dass Videosprechstunden zum Leistungsportfolio einer Praxis zählen. Insofern müssten sich Ärzte auch keine Sorgen über etwaige Abmahnrisiken machen. Köber: „Das Heilmittelwerbegesetz ist nur anwendbar auf absatzbezogene Werbung“ – also anpreisende Kommunikation zu Verkaufszwecken.
AU bleibt tabu
Was jedoch nach Überzeugung Köbers über die pandemiebedingte Ausnahme hinaus auch künftig nicht möglich sein wird, sind Krankschreibungen im Fernkontakt.Ein dazu von der Wettbewerbszentrale gegen den Hamburger Anbieter AU-Schein.de angestrengtes Verfahren endete im Juli 2020 mit einer Unterlassungsverfügung, wonach das Unternehmen keine Krankschreibungen per App ausstellen darf, da es damit gegen die Anforderung der AU-Richtlinie verstößt, wonach „die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund einer unmittelbar persönlichen ärztlichen Untersuchung erfolgen“ darf.
Im Oktober dieses Jahres wurde die Berufungsklage vom OLG Hamburg zurückgewiesen, unter anderem mit dem bemerkenswerten Hinweis, dass die AU ohne persönlichen Erstkontakt selbst als Privatleistung nicht statthaft sei. Zwar adressiere die AU-Richtlinie formell nur Kassenärzte, beinhalte aber „allgemein anerkannte fachliche Standards“, die genauso auf die privatärztliche Tätigkeit zuträfen.
Ob AU-Schein Revision beim Bundesgerichtshof beantragen wird, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen, eine schriftliche Anfrage beim Unternehmen blieb unbeantwortet. (cw)