EINKAUF PRAXEN KÖNNEN MIT EU-APOTHEKEN KOOPERIEREN
Ärzte dürfen Medikamente, die sie in der Praxis selbst am Patienten anwenden, bei einer ausländischen Versandapotheke einkaufen – und das auch zu vergünstigten Konditionen.
Von Martin Wortmann
KARLSRUHE. Arzneimittel, die ein Arzt direkt in seiner Praxis selbst am Patienten anwendet, darf er auch selbst beschaffen.
Dabei ist die Kooperation mit einer inländischen Apotheke zwar auch für den Bezug von Selbstzahler-Arznei unzulässig, nicht aber die Bestellung bei einer Versandapotheke im EU-Ausland, wie der Bundesgerichtshof in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschied. Das Zuweisungsverbot sei nicht verletzt.
Er wies damit eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen eine Versandapotheke in den Niederlanden ab. Diese hatte 2014 eine Werbe-Information an gynäkologische Praxen verschickt.
Dort hieß es: „Sie möchten in Ihrer Praxis die Kosten für Ihre selbstzahlenden Patienten deutlich reduzieren?
Dann beziehen Sie jetzt für Ihre Patienten Medikamente von den Originalherstellern aus der Apotheke X“. So beworben wurden vom Arzt anzuwendende Verhütungsmittel, konkret Intrauterinpessare, Dreimonatsspritzen und ein Hormonimplantat zur subkutanen Anwendung.
Keine Zuweisung
Der Wettbewerbsverband meinte, die so beworbenen Arzneimittel und Intrauterinpessare dürften nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden, nicht aber in Arztpraxen. Zudem verleite die Versandapotheke die Gynäkologen zu einem Verstoß gegen das Zuweisungsverbot.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Leitsatzurteil wies der BGH die Klage jedoch ab. Zunächst verneinten die Karlsruher Richter einen Verstoß gegen die gesetzliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg aus 2016 sei die Rx-Preisbindung für Versandapotheken mit Sitz in anderen EU-Ländern nicht anwendbar.
Auch würden Gynäkologen, die bei der Versandapotheke bestellen, nicht Arzneimittel unzulässig in den Verkehr bringen. Denn die betreffenden Mittel gelangten nicht „in die Verfügungsgewalt“ der Patientin, sondern würden direkt vom Arzt angewendet. Ein Verstoß gegen das in § 11 Apothekengesetz festgelegte Kooperations- und Zuweisungsverbot liegt hier nach dem Karlsruher Urteil ebenfalls nicht vor. Konkret verbietet dies „Rechtsgeschäfte“ und „Absprachen“ zwischen Apotheke und Arzt. Dies solle sicherstellen, dass sich Ärzte und Apotheker nicht von finanziellen oder anderen sachfremden Erwägungen leiten lassen, so der BGH. Davon seien zwar grundsätzlich auch die in der Praxis angewendeten Arzneimittel erfasst. Schon dem Wortlaut nach richte sich die Vorschrift aber an „Erlaubnisinhaber“ und Personal inländischer Apotheken. Dies sei ohne gesetzliche Klarstellung auf Apotheken im EU-Ausland nicht anwendbar.
Abschließend verneinte der BGH auch einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot der ärztlichen Berufsordnung. Denn diese erlaube Ausnahmen bei hinreichenden Gründen. Der Vorteil für die Patientin, dass diese beispielsweise nicht nochmals in die Praxis kommen muss, komme hier zwar nicht in Betracht. Es erfolge aber auch keine Zuweisung an eine bestimmte Apotheke, weil der Arzt die Mittel ja selbst anwende. Wegen unklarer Begrifflichkeit ist die Reichweite des Urteils uneindeutig. Der BGH nennt die betroffenen Mittel „Applikationsarzneimittel“ – ein Begriff, der nur in Urteilen und darauf bezogener juristischer Literatur verwendet wird, der in medizinischen Wörterbüchern aber fehlt.
Nebulöse Wortwahl
In der Vorinstanz definierte das Oberlandesgericht Düsseldorf diese als „Arzneimittel, die die Patientin nicht selber anwenden kann, sondern die durch den Arzt an der Patientin angewendet werden müssen“. Das wären neben den hier streitigen Verhütungsmitteln etwa auch anderweitige Spritzen, Infusionen oder Blut-Schnelltests.
Der Bundesgerichtshof selbst hatte in einem Urteil aus 2015 „Applikationsarzneimittel“ als Arzneimittel beschrieben, „die in der Arztpraxis am Patienten angewendet werden sollen“.
Das könnten beispielsweise auch neu verordnete Mittel sein, deren Art der Anwendung dem Patienten gezeigt werden soll.
Az.: I ZR 121/17