E-REZEPT: GEMATIK PLÄDIERT FÜR DATENSCHUTZNIVEAU MIT KLEINEN LÜCKEN
gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken verspricht einen datenschutzkonformen E-Rezeptabruf mittels eGK bis Mitte 2023.
Düsseldorf. Bei der Entwicklung einer technischen Lösung zur datenschutzkonformen Einlösung des E-Rezepts mittels der elektronischen Gesundheitskarte steht die gematik im Austausch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten. Im Sommer 2023 wird eine Lösung vorliegen, die datenschutzrechtlich unbedenklich ist, versprach gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken auf dem Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse (TK) am Mittwoch in Düsseldorf an.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber stuft den Rezeptabruf über die eGK ohne PIN als zu unsicher ein. Auf diesem Weg wäre es technisch möglich, dass Apothekenmitarbeiter Zugang zu den Daten auf dem E-Rezept erhalten können, ohne dass der Versicherte in der Apotheke ist.
Mit dieser Auffassung stelle Kelber eine Grundannahme der Telematik-Infrastruktur in Frage, kritisierte Leyck Dieken. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass der Konnektor in lauteren Händen ist.“ Eine Abkehr von dieser Annahme führe zu gravierenden Problemen. „Wenn die gematik künftig hochkriminelles Potenzial mitdenken muss, kommen wir zu Lösungen, die keiner mehr umsetzen kann.“
Konflikt mit der EU vorprogrammiert
Über die neue Lösung der gematik werde der Nachweis möglich, dass sich der oder die Versicherte bei der Einlösung des E-Rezepts physisch in der Apotheke befindet. Damit entfalle aber die Möglichkeit der Fernabnahme des E-Rezepts. Der europäische Vergleich zeige, dass genau darin der größte Vorteil liegt, berichtete er. Der gematik-Geschäftsführer verwies auf ein weiteres Problem: „Den Nachweis der Präsenz in der Apotheke, den wir jetzt machen müssen, werden wir im europäischen Datenraum niemals liefern können.“
Leyck Dieken plädierte für ein hohes Datenschutzniveau, bei dem aber akzeptiert wird, dass vereinzelte Lücken nicht ganz ausgeschlossen werden können. Notwendig sei zudem ein Konsens, dass im Gesundheitsbereich das Teilen von Daten auch das Teilen von Gesundheit bedeute. „Wir haben einen Impfstoff gegen Corona, weil fünf Millionen Amerikaner bereit waren, ihre Erfahrungen damit zu teilen.“
Die KV Westfalen-Lippe steht nach Angaben von Vorstand Thomas Müller nach wie vor auf Stand-by in Sachen E-Rezept-Rollout. Die KVWL war wegen der Bedenken Kelbers aus der Einführungsphase des E-Rezepts ausgestiegen. „Die Botschaft der Ärzte ist eindeutig: Sie wünschen das E-Rezept und die Digitalisierung, aber in komplett digitaler Form, ohne Medienbrüche“, betonte Müller. Deshalb habe man in Westfalen-Lippe die Notbremse ziehen müssen. „Es ist unzumutbar, 100.000 Ärzten in Deutschland zu sagen: Wir haben ein E-Rezept, aber Ihr müsst es drucken.“
Steile Lernkurve in Westfalen-Lippe
Während der Testphase in Westfalen-Lippe, an der sich 250 Praxen beteiligt hätten, habe es eine kurze und sehr steile Lernkurve gegeben, berichtete Müller. „Es ist sehr schnell klar geworden, wo die Knackpunkte liegen.“
Für Daniel Cardinal, Geschäftsbereichsleiter Versorgungsinnovationen der TK, sind die Probleme beim E-Rezept nicht nur im Datenschutz begründet. „Der Stopp durch Kelber ist bedauernswert und falsch, aber nur ein Aspekt der Diskussion.“ Der Webfehler liegt für ihn darin, dass der Prozess nicht vom Kunden aus gedacht werde. Die Versicherten wollten keine Einzellösungen für verschiedene Anwendungen, sondern einen einzigen Zugangsweg wie die App.
Eine Abwägung von Datenschutz und Patientenschutz darf es Cardinals Meinung nach eigentlich nicht geben. „Im Notfall ist das klar, warum nicht im Alltag?“. Über die Daten in den elektronischen Akten und den E-Rezepten werde es möglich, den Versicherten auf Wunsch zusätzliche Angebote wie einen Medikationscheck oder die Prüfung auf Wechselwirkungen zu machen. „Das ist ein Mehrwert für die Kunden.“