DIE BEHANDLUNG OSTEOPOROSEBEDINGTER FRAKTUREN AN DER WIRBELSÄULE
Die Behandlung von Wirbelfrakturen bei Osteoporose ist sehr komplex, daher gibt es auch keinen allgemein gültigen Behandlungspfad.
Frakturen an der Wirbelsäule zählen zu den häufigsten Frakturen, die im Rahmen einer manifesten Osteoporose auftreten. In Deutschland und West-Europa kann mit bis zu 11 Frakturen pro tausend Personenjahren bei 50-79-jährigen Menschen gerechnet werden. Wirbelkörperfrakturen sind 2-3x häufiger als hüftgelenksnahe Oberschenkelfrakturen; die Dunkelziffer ist noch wesentlich höher einzuschätzen.
Wirbelkörperfrakturen treten meistens an mechanisch beanspruchten Regionen zum Beispiel am Scheitelpunkt der Brustwirbelsäule und dem Übergang zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule auf. Von dort geht die relativ starre Brustwirbelsäule in den beweglicheren lumbalen Abschnitt über.
Häufig sind nicht-traumatische Wirbelkörperfrakturen der erste Ausdruck einer Osteoporose. Abhängig vom Ausmaß und der Frakturform können die Wirbelkörper-frakturen erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten haben, nicht selten führen sie auch zu einer dauernden Schmerzsymptomatik und Hilfsbedürftigkeit (3). Dies hat meist seine Ursache in einer Überlastung der Rückenmuskulatur. Abhängig von der Frakturform tritt im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt eine Knickbildung ein, dadurch kommt es zu einer vermehrten Rumpfneigung nach vorne. Biomechanische Folge ist die Verlagerung des Körperlots nach ventral und eine Rundrückenbildung. Die Rückenmuskulatur muss eine vermehrte Haltearbeit leisten und ist schnell überfordert. Schmerzen bei Belastung oder Einnahme einer einseitigen Körperhaltung sind die Folge.
Die Therapie von osteoporoseassoziierten Wirbelkörperfrakturen orientiert sich aber nicht allein an den Bruchformen, bzw. der Formveränderung der Wirbelsäule, sondern muss auch mögliche Begleiterkrankungen berücksichtigen. Überwiegend sind Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter betroffen, die an mehr oder weniger ausgeprägten Begleiterkrankungen leiden, die durchaus die operative Therapie limitieren.
Generell gilt es längere Immobilisationsphasen zu vermeiden und die betroffenen Patienten möglichst schnell wieder zu mobilisieren. Dazu ist unabhängig von der gewählten Therapieform immer auch eine adäquate Schmerzmittelbehandlung erforderlich.
Die Therapie der Wirbelkörperfrakturen stützt sich generell auf drei Säulen:
- konservative Therapie
- Augmentation von Wirbelkörpern (Kypho- oder Vertebroplastie)
- operative Stabilisierung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes
Die allgemein gültigen Prinzipien zur Versorgung von Wirbelkörperfrakturen können nur bedingt auf die Situation bei Osteoporose übertragen werden. Insofern ist jede Therapieentscheidung individuell.
Sofern keine neurologischen Ausfälle bestehen, die Fraktur insgesamt als stabil klassifiziert wird und der Wirbel keine größere Fehlstellung aufzeigt kann die Therapie generell konservativ erfolgen. Dazu gehört eine entsprechende Schmerzmittelgabe sowie begleitend die Durchführung rumpfstabilisierender physiotherapeutischer Maßnahmen. Fester Bestandteil in der konservativen Therapie ist auch die Verordnung von Orthesen, z.B. eine Aktiv-Orthese vom Typ der VERTEBRADYN® OSTEO (4). Ziel der Orthesenversorgung ist es einer vermehrten Rumpfbeugung nach vorne entgegenzuwirken und das normale seitliche Profil der Wirbelsäule zu erhalten. In der Heilungsphase nach einer Fraktur sollte die Orthese konsequent getragen werden. Nach der primären Heilungsphase können die Aktiv-Orthesen (VERTEBRADYN) stundenweise weiter getragen werden. Ihr Tragen führt zu einem Trainings- und Aufrichtungseffekt der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur (5).
Sofern unter ausreichender Schmerztherapie die Beschwerden persistieren oder einen immobilisierenden Charakter haben ist die Durchführung einer Augmentation, das heißt, das Auffüllen eines Wirbelkörpers mit einem Knochenzement (Kyphoplastie) zu diskutieren. Obwohl diese Technik seit vielen Jahren klinisch angewendet wird liegen noch nicht ausreichende Daten zum Langzeitverlauf (2)vor, sodass die aktuelle Leitlinie des Dachverbands der deutschsprachigen wissenschaftlichen osteologischen Gesellschaften (DVO) die Augmentation nicht als primäre Therapieform definiert. Die Kypho- oder Vertebroplastie dient primär der Schmerzreduktion. Der Effekt ist in verschiedenen Studien hinreichend belegt. Die Wiederaufrichtung älterer Wirbelbrüche kann durch das Verfahren selbst nicht erreicht werden. Dieser zusätzliche Effekt tritt nahezu ausschließlich bei frischen Frakturen auf.
Durch die bei der Operation notwendigen Lagerung kann es durch Zug der Bänder zu einer Aufrichtung des Wirbels kommen, diese Position wird dann durch die Zementeinspritzung fixiert.
Das Verfahren sollte daher bei Patienten zur Anwendung kommen, die trotz Schmerztherapie starke Schmerzen haben bei denen ein konservativer Therapieversuch nicht erfolgreich war. Nicht jede Bruchform kann durch eine Augmentation adressiert werden.
Ist es durch die Wirbelkörperfraktur zu einer starken Abknickung der Wirbelsäule von mehr als 15-20° gekommen, liegt eine instabile Fraktur vor oder bestehen neurologische Ausfälle ist in der Regel eine stabilisierende Operation erforderlich, zum einen um die Nervenstrukturen zu entlasten, zum anderem um das Profil der Wirbelsäule wieder herzustellen. Sofern eine operative Stabilisierung erforderlich ist, sollte diese aber konsequent durchgeführt werden, das heißt im Zweifelsfall müssen auch die angrenzenden Wirbelsäulensegmente mit Implantaten versehen werden um eine ausreichende Stabilität zu gewährleisten.
Bei der Osteoporose handelt es sich definitionsgemäß um eine generalisierte Erkrankung. Von dem Verlust der Stabilität sind alle Wirbel betroffen. In der Konsequenz müssen die zur Frakturstabilisierung notwendigen Kräfte auf viele Bewegungssegmente verteilt werden. Teilweise ist auch eine Erweiterung der Operationsstrecke über den Scheitelpunkt des Rundrückens erforderlich um ein Herausreißen der obersten Schrauben durch ungünstige biomechanische Kräfte zu vermeiden. Um eine optimale Stabilität im betroffenen Bereich zu erhalten sollte gerade bei Berstungsfrakturen der betroffenen Wirbel entfernt werden. Dies bedeutet dann einen Eingriff durch die Bauch- oder Brusthöhle. Dies gewährleistet die biomechanisch beste Stabilisierung - allerdings auf Kosten eines erhöhten operativen Aufwandes. In diesem Fall gilt es wieder abzuwägen inwieweit mögliche Begleiterkrankungen dieses Vorgehen zulassen.
Zusammenfassend sollten osteoporoseabhängige Frakturen an der Wirbelsäule in Kliniken versorgt werden, die über die gesamten Möglichkeiten der konservativen und operativen Therapie verfügen um eine möglichst optimale individuelle Versorgung der betroffenen Menschen zu gewährleisten.
Die Behandlung einer osteoporosebedingten Wirbelkörperfraktur endet nicht mit der operativen Versorgung. In jedem Fall ist eine weiter führende Diagnostik der Osteoporose und Einleitung einer medikamentösen Therapie erforderlich. Um das Risiko für das Auftreten weiterer Frakturen zu vermeiden ist weiterhin eine Sturzprophylaxe mit begleitender Physiotherapie empfehlenswert.
Biomechanik bei Wirbelkörperfrakturen
Bricht typischerweise der vordere Anteil des Wirbelkörpers ein, verschiebt sich das Schwerkraftzentrum nach vorne, es entsteht ein großes Krümmungsmoment, Muskel und Bänder müssen diese verstärkte Krümmung ausgleichen und sind schnell überfordert. Die resultierende Deformierung der Wirbelsäule führt zu statischen Veränderungen mit häufig chronischen Beschwerden am Bewegungsapparat in Folge der veränderten Biomechanik. Um diesem Entgegenzuwirken ist die Rekonstruktion des seitlichen Form der Wirbelsäule von herausragender Bedeutung. Sofern möglich sollte das Ziel einer operativen Versorgung sein das Profil der Wirbelsäule wieder herzustellen und die normalen anatomischen biomechanischen Verhältnisse zu rekonstruieren. Kommt es durch die Frakturform zu einer vermehrte Rundrückenbildung( Kyphose) kann dies zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz führen. Nicht nur chronische Schmerzen auch Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Atemschwierigkeiten können sich einschränkend auswirken.
Literaturliste
- Minne H et al: Osteoporose. Orthopäde 2002 • 31:681–699
- Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der OSTEOPOROSE bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopausalen Frauen. S3-Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. 2014
- Suzuki N. et al: The prognosis for pain, disability, activities of daily living and quality of life after an acute osteoporotic vertebral body fracture: its relation to fracture level, type of fracture and grade of fracture deformation. Eur Spine J (2009) 18:77–88
- VERTEBRADYN® OSTEO der Firma SPORLASTIC GmbH