DATENSCHUTZ: PATIENTENNAMEN DÜRFEN INS OHR GEHEN, DIAGNOSEN NICHT
Der Aufruf von Patienten im Warteraum verstößt nicht gegen die ärztliche Schweigepflicht. Vorsicht geboten ist jedoch bei Diagnoseerörterung vor Publikum sowie der Datenweitergabe an externe Dienstleister.
SAARBRÜCKEN. Patienten im Warteraum einer Praxis mit ihrem Namen aufzurufen, ist in der Regel konform mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das hat das Unabhängige Datenschutzzentrum des Saarlandes in seinem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2017/2018, der am Mittwoch dem Landtagspräsidenten übergeben wurde, klargestellt. Defizite bestünden bei strafrechtlichen Vorgaben zur Weitergabe von Berufsgeheimnissen an Dienstleister.
Dem Bericht zufolge sind seit Inkrafttreten vor einem Jahr zahlreiche Anfragen von Ärzten und Patienten zur DSGVO eingegangen. Man habe „eine große Verunsicherung“ wahrgenommen, wie die Grundverordnung anzuwenden sei, heißt es.
Kein Verstoß gegen Schweigepflicht
Die Behörde betont, das namentliche Ansprechen im Wartezimmer verstoße weder gegen datenschutzrechtliche Vorgaben noch gegen die ärztliche Schweigepflicht. Jedoch dürften keine Diagnosen im Beisein anderer Patienten erörtert werden.
Um Informationspflichten über die Datenerhebung in Praxen Genüge zu tun, hält die Dienststelle das Aushändigen eines Informationsblattes beim Erstbesuch und einen Vermerk in der Akte für ausreichend. Es bedürfe keiner Empfangsbestätigung per Unterschrift.
Strenger beurteilt das Schutzzentrum die Nutzung etwa der E-Post beim Versand von Arztrechnungen durch private Abrechnungsstellen. Dazu müsse der Patient seine Einwilligung geben. Abrechnungsfirmen müssten ihre Formulare erweitern und hdeshalb auch darauf hinweisen, dass sie die Rechnungen selbst versenden, wenn der Patient nicht sein Einverständnis zur Einbindung der Post-Dienstleistungsgesellschaft E-Post Solutions erklärt.
Kritik der Landesdatenschutzbeauftragten
Wenig erbaut ist die Landesdatenschutzbeauftragte Monika Grethel darüber, dass der Gesetzgeber eine Änderung des Schweigepflichts-Paragrafen 203 Strafgesetzbuch vorgenommen habe, die nicht im Einklang mit der DSGVO stehe.
Sie erinnerte an die Kritik der Datenschutzkonferenz an dem Gesetz, wonach Berufsgeheimnisträger wie Ärzte die Verantwortung für die Datenverarbeitung ohne Einwilligung der Betroffenen an externe Dienstleister übertragen dürfen. Man müsse abwarten, ob die Rechtsprechung nicht doch noch für eine Korrektur sorge.
Auch ein Urteil des saarländischen Oberverwaltungsgerichts kritisiert die Behörde. Im Gegensatz zur Vorinstanz hatte das OVG Ende 2017 einen Streit um Überwachungskameras in einer Apotheke zugunsten des Betreibers entschieden (Az.: 2 A 662/17). Danach seien Videoaufnahmen in Verkaufsraum und beim Betäubungsmittelschrank in nur Mitarbeitern zugänglichen Räumen der Apotheke zulässig gewesen – ohne Offenlegung der Überwachungszwecke in Verfahrensverzeichnis oder einen Hinweis auf die Folgen, wenn Mitarbeiter ihr Einverständnis verweigerten.
Die Behörde hat offenbar eine andere Rechtsauffassung: Es sei „nicht überraschend“, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart einen ähnlichen Sachverhalt „völlig gegensätzlich“ bewertet habe. Die Richter hatten die Wirksamkeit von Mitarbeiter-Einwilligungen bestritten und eine anlasslose Videoüberwachung für unzulässig erklärt (Az.: 11 K 6401/16). Auch Ärzte brauchen zur Videoüberwachung ihrer Praxis einen triftigen Grund, urteilte jüngst das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Datenschutzzentrum des Saarlandes Namentliches Ansprechen von Patienten im Warteraum verstößt weder gegen datenschutzrechtliche Vorgaben noch ärztliche Schweigepflicht.
- Informationsblatt beim ersten Besuch eines Patienten und einen Aktenvermerk seien ausreichend als Information über die Datenerhebung.
- Nutzung von E-Post beim Versand von Arztrechnungen durch private Abrechnungsstellen erfordert die Einwilligung des Patienten.
Quelle: Tätigkeitsbericht 2017/18 des Unabhängigen Datenschutzzentrums des Saarlandes