DAS SAGEN MEDIZINISCHE FACHANGESTELLTE ZUM FACHKRÄFTEMANGEL
Ärzte beklagen einen Fachkräftemangel bei Medizinischen Fachangestellten. Wieso verlassen viele Kolleginnen die Praxen? Sechs Frauen berichten der Ärzte Zeitung von ihren Erfahrungen.
„Die Ärzte sollen Chef sein, aber nicht unnahbar“
Warum verlassen viele MFA die Praxen? Nach Meinung von MFA Tatjana Rüger liegt das vor allem am Gehalt. Zwar gebe es einen Tarifvertrag, dies reiche aber nicht aus. Rüger arbeitet seit sieben Jahren in der Praxis von Dr. Kirsche in Bad Bevensen (Niedersachsen). Aufgrund der aktuellen Situation zu kündigen – dieser Gedanke kam ihr noch nie. Die Corona-Zeit habe das Team gut überstanden. Und: „Der Beruf ist sehr vielfältig, daher rate ich anderen MFA, Fortbildungen zu besuchen und sich weiterzubilden“, sagt Rüger. Sie selbst hat einen Fachwirt, ist VERAH, NäPa, Wundexpertin ICW und macht Hausbesuche.
Unzufriedene MFA sollten sich nach einer anderen Praxis umsehen, ein gutes Team sei unerlässlich. Praxisinhabern rät sie zum offenen Umgang mit dem gesamten Team. „Die Ärzte sollen Chef sein, aber nicht unnahbar.“ Zudem könne das Verhältnis untereinander – und dadurch die Arbeitsqualität – durch teamfördernde Maßnahmen verbessert werden. Vor der Pandemie führte ihre Praxis diese regelmäßig durch.
„Mehr für den MFA-Beruf werben“
Für den MFA-Beruf müsste mehr geworben werden, sagt Margit Büttner, MFA, VERAH und NäPA in der Hausarztpraxis Dr. Büttner & Dr. Linzmeier in Roth (Bayern). In der Pflicht sieht sie die ärztlichen Kreisverbände und Landesärztekammern.
Den MFA-Mangel erlebt Büttner am eigenen Leib. „Wir schalten Anzeigen, aber niemand meldet sich.“ Die Praxis biete auch Praktika an und ist auf Ausbildungsmessen vertreten. Neue Kolleginnen kommen trotzdem nicht. Grund sei das Gehalt im ambulanten Bereich und, dass die MFA in der Pandemie „immer vergessen wurden“ – beim Corona-Bonus und im öffentlichen Diskurs. „Ich weiß nicht, ob Politiker nie zum Arzt gehen, aber sie sehen nicht was wir leisten.“ Trotzdem will Büttner in der Praxis bleiben, auch aufgrund der Patienten, die an Feiertagen anerkennende Worte und kleine Aufmerksamkeiten für sie haben. Praxisinhabern rät sie, zum regelmäßigen Austausch mit dem Team. Ihr Praxisteam war beispielsweise zum 30-jährigen Jubiläum in Dresden.
„Es hat mir keinen Spaß mehr gemacht“
Barbara Kronfeldner arbeitet seit einem Jahr als MVZ-Koordinatorin im MVZ Klinikum Straubing (Bayern). Dort betreut sie auch MFA-Auszubildende. Für die jungen Kolleginnen sei es wichtig, einen festen Ansprechpartner zu haben, sagt Kronfeldner. Im MVZ setzen sie generell auf Struktur bei der MFA-Ausbildung, bieten interne Schulungen an und ermöglichen dem Nachwuchs selbstständig vielfältige Aufgaben zu erledigen. Wichtig sei auch, den Auszubildenden früh aufzuzeigen, welche Weiterbildungsmöglichkeiten sie haben, wenn sie nach der Ausbildung in der Praxis bleiben.
Kronfeldner hat selbst über 20 Jahre als MFA gearbeitet – zu Beginn der Corona-Pandemie hat sie gekündigt. Der immense Druck, die fehlende Schutzausrüstung und das Verhalten der Patienten haben sie zu dieser Entscheidung gebracht. „Es hat mir keinen Spaß mehr gemacht.“ Als MVZ-Koordinatorin nimmt sie ihren MFA-Kolleginnen nun reichlich bürokratische Arbeiten ab. Eine Arbeitsteilung, die sie auch anderen Praxen empfehlen würde.
„Nur noch 20 Prozent der Zeit am Patienten“
Seit der Corona-Pandemie hat sich das bürokratische Aufkommen in den Hausarztpraxen vervielfacht, sagt Isabell Schlüter, MFA in der Praxis Dr. Schlüter in Hemsbach (Baden-Württemberg). „Wir arbeiten nur noch 20 Prozent der Zeit am Patienten“, beklagt die MFA, der heute die Kreativität des Jobs fehlt. Schlüter hat bereits darüber nachgedacht, den Beruf zu wechseln. Sie weiß aber auch, dass ihre Arbeitskraft benötigt wird. Außerdem möchte sie ihren Ehemann in der Praxis nicht im Stich lassen.
Schlüter arbeitet bereits seit über 20 Jahren mit ihren MFA-Kolleginnen zusammen. Daher weiß sie, dass Sie sich auf ihr Team verlassen kann. Sie schätzt auch das ärztliche Vertrauen, dass den MFA entgegengebracht wird: Die Mitarbeiterinnen können beispielsweise untereinander Vertretungs- und Urlaubszeiten planen. Ärzten rät Schlüter, MFA flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten. Von der Politik wünscht sie sich eine Anpassung des ärztlichen Honorars für die Bezahlung der Mitarbeiter.
„Schön, dass ihr da seid“
Dass MFA keinen Corona-Bonus bekommen, finden Alyson Staniford (Foto oben) und Gabriele Guss (Foto unten), beide MFA und Praxismanagerin, unfair. Schließlich hatten sie täglich Kontakt zu Infektpatienten. Die Wertschätzung, die von der Politik fehle, komme von ihren Arbeitgebern, den Ärzten des MVZ Dissen (Niedersachsen). „Sie sagen uns oft ,Schön, dass ihr da seid‘ oder danken uns, dass die Arbeit super geklappt hat, trotz vieler Patienten“, sagt Staniford. Und: Die Ärzte würden sich immer hinter die Angestellten stellen, wenn ein Patient schwierig werde.
Die Patienten seien in der Corona-Pandemie fordernder geworden, außerdem hätten die MFA Mehrarbeit aufgrund der Impfungen, Formalitäten und des Datenschutzes. Daher wünscht sich Staniford für eine mögliche Infektionswelle im Herbst mehr Entlastung durch die Impfzentren und mobilen Impfteams. Trotz der Strapazen möchte die MFA in der Praxis bleiben. Sie arbeitet gerne mit ihrem Team und den langjährigen Patienten zusammen.