„Das E-Rezept wird sich durchsetzen“
Das E-Rezept soll vorerst eine freiwillige Anwendung bleiben. Aber könnten die Ärzte dadurch zu Bremsern für die neue Anwendung werden? Die KBV versucht, der aufkommenden Debatte die Spitze zu nehmen.
BERLIN. Das E-Rezept kommt, aber das Papierrezept hat noch lange nicht ausgedient.
Was schon im Frühjahr klar vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) signalisiert worden ist, hat im Sommer, kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), in Berlin eine Debatte ausgelöst: Werden die Ärzte das E-Rezept, sobald es eingeführt ist, auch tatsächlich nutzen? Oder müssen sie dafür mit Sanktionen bedroht werden? Und folglich: Brauchen Patienten einen Anspruch, den sie durchsetzen können?
Derzeit sei keine Verpflichtung der Ärzte vorgesehen, es gebe keinen Anspruch von Versicherten, hieß es dazu Ende der vergangenen Woche von der KBV unter Berufung auf das BGM
Noch 100 Jahre warten?
„Wenn Ärzte selbst über die Rezeptform entscheiden sollen, dann wird es noch hundert Jahre dauern, bis das elektronische Rezept flächendeckend zur Verfügung steht“, wurde daraufhin die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, vom Handelsblatt zitiert.
Der GKV-Spitzenverband, der nach Inkrafttreten des GSAV die Umsetzung des E-Rezepts mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung innerhalb von sieben Monaten aushandeln soll, argumentiert gegen das BMG: „Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes ist das elektronische Rezept eine Pflichtanwendung – auch für Ärzte“, heißt es auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“.
„Das dauerhafte Nebeneinander von Papier-Rezept und E-Rezept“, heißt es weiter, „wäre zudem höchst unwirtschaftlich: Doppelstrukturen würden auf Dauer aufrechterhalten.“ Zudem würden die Chancen der Digitalisierung und der damit verbundenen Verbesserungspotentiale vertan: weniger Rückfragen beim Arzt durch den Apotheker, bessere Qualität der Daten und damit schnellere Abrechnung für die Leistungserbringer, schreibt der Spitzenverband.
„Wir brauchen keine Sanktionen“
KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel versucht, der Debatte die Spitze zu nehmen: „Eine allgemeine Pflicht zur Ausstellung des E-Rezepts geht völlig an der Realität vorbei. Wir werden das Papierrezept weiter brauchen, bei Haus- und Heimbesuchen und in Notfällen beispielsweise.“
Auch weniger technik-affine Patienten könnten so in Zukunft weiterhin ein Papierrezept erhalten, so Kriedel in einem Video der ärztlichen Körperschaft. Aber das E-Rezept werde sich „früher oder später durchsetzen, dazu brauchen wir keine Verpflichtung oder Sanktionen“.
Zeitplan E-Rezept
· Pilotprojekte: Aktuell laufen Projekte zum Test von E-Rezepten unter anderem in Baden-Württemberg an.
· Bis ca. März 2020: Selbstverwaltung verhandelt Umsetzung des GSAV in puncto E-Rezept.
· Bis Juni 2020: gematik legt technische Spezifikation für das E-Rezept fest.
· Bis September 2020: Apotheker sollen an TI angeschlossen sein.
Für Kriedel entscheidend ist die Anwenderfreundlichkeit der Abläufe. Wenn für jedes E-Rezept der elektronische Arztausweis ins Lesegerät gesteckt, die PIN eingegeben und dann auf die Reaktion des Servers gewartet werden müsse – Kriedel: „Das kann zehn bis 15 Sekunden dauern“ –, dann würde das den Praxisbetrieb zu sehr aufhalten, fürchtet die KBV schon seit Monaten.
Abläufe noch nicht geklärt
Auch die Abläufe, wie das Rezept über die Telematikinfrastruktur (TI) auf den Server kommt und dort vom Versicherten in seiner Wunsch-Apotheke abgeholt werden kann, sei noch nicht geklärt.
Zunächst müssten ja auch die Apotheker noch an die TI angeschlossen werden. Laut Entwurf des Digitale-Versorgung-Gesetzes wäre das im September 2020 so weit.
Kriedel gibt auch einen Ausblick in die Zukunft: So wolle es das BMG ermöglichen, nach telemedizinischen Kontakten, etwa in einer Videosprechstunde, Patienten eine elektronische Verordnung zu schreiben. Auch bei Wiederholungsrezepten biete sich ein E-Rezept an: Es könnte beispielsweise Patienten den Weg in die Praxis ersparen.