KRANKENGELD: PRAXIS ALLEINE VERANTWORTET ABSENDEN DER AU-BESCHEINIGUNG
Potsdam. Die Verantwortung für die Übermittlung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse liegt für gesetzlich Versicherte bereits seit Anfang 2021 allein bei den Ärzten. Den Versicherten kann ein fehlender oder verspäteter Eingang bei der Kasse auch dann nicht vorgehalten werden, wenn am Tag der Bescheinigung die technischen Möglichkeiten zur digitalen Übermittlung in der jeweiligen vertragsärztlichen Praxis nicht oder noch nicht vorlagen, wie jetzt das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschied. Damit sicherten die Potsdamer Richter den durchgehenden Krankengeldanspruch einer Angestellten aus Berlin. Der Streitfall liegt bereits Anfang 2021. Wegen Beweglichkeitsproblemen im rechten Schultergelenk war die Klägerin seit dem 8. Dezember 2020 krankgeschrieben. Nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung erhielt sie Krankengeld. Ihre letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lief am 30. Januar 2021 aus.
Bereits am 27. Januar 2021 ging sie zu ihrem Arzt und erhielt eine Folgebescheinigung. Wann sie diese in die Post gab, ist nicht festgestellt. Jedenfalls ging sie erst am 10. Februar 2021 bei der Krankenkasse ein. Für den Zeitraum zwischen Ende der alten und Eingang der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also vom 31. Januar bis zum 9. Februar 2021, ließ die Krankenkasse die Krankengeldzahlung ruhen. Wie nun das LSG entschied, steht der Klägerin das Krankengeld durchgehend zu. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ es allerdings die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.
Verweis auf TSVG
Zur Begründung verwiesen die Potsdamer Richter auf eine Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) aus dem Jahr 2019. In der Gesetzesbegründung dazu heiße es: „Die Regelung stellt klar, dass ab dem 1. Januar 2021 die Pflicht zur Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten unter Angabe der Diagnosen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Einrichtungen obliegt.“ Damit habe der Gesetzgeber auch Risiken eines verspäteten Eingangs der Meldung den Versicherten abnehmen wollen, so das LSG. Würde der Krankengeldanspruch nun dennoch von technischen Gegebenheiten und einer rechtzeitigen digitalen Meldung abhängig gemacht, würden die Versicherten „mit einem Risiko von Organisationsmängeln belastet, welches nach der Struktur des Krankengeldrechts nicht von ihnen zu tragen ist“.
Wegen ständiger technischer Probleme hatten Ärzte und Krankenkassen in ihrem „Bundesmantelvertrag“ allerdings erst zum Jahresbeginn 2023 die digitale Übermittlung verbindlich gemacht. Dies habe im Widerspruch zum Gesetz gestanden, betonte hierzu nun das LSG Potsdam. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen führe nicht zu einem Recht, sich selbst von gesetzlich vorgegebenen Pflichten zu befreien. Jedenfalls könne dies keinen Einfluss auf die Rechte und Pflichten der Versicherten haben.
Landessozialgericht Potsdam, Az.: L 14 KR 273/22