ARZTHAFTPFLICHT WIRD JETZT GESETZLICHE PFLICHT
Der Gesetzgeber hat eine Nachweispflicht für Arzthaftpflichtversicherungen ins Sozialgesetzbuch V geschrieben. Bis zum Ende der erstmaligen Vorlagefrist ist allerdings noch Zeit.
2023 werden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ungewöhnliche Post bekommen. Die Zulassungsausschüsse werden sie bis spätestens 20. Juli auffordern, binnen dreier Monate mittels Versicherungsbescheinigung den Nachweis einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung zu erbringen. Kommen Vertragsärzte der Aufforderung nicht nach, droht ihnen das Ruhen der Zulassung.
Zwar sind Ärzte durch die Heilberufe-Kammergesetze und die Berufsordnung ohnehin verpflichtet, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche zu versichern, die durch ihre ärztliche Tätigkeit entstehen. „Doch jetzt ist die Berufshaftpflichtversicherung für Vertragsärzte eine gesetzliche Pflichtversicherung“, so Nadja Bürger, Geschäftsführerin von Ecclesia med, einem Makler der Ecclesia-Gruppe.
Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz als Grundlage
Hintergrund ist das Mitte 2021 in Kraft getretene „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“. Vertragsärzte und -zahnärzte, ermächtigte Ärzte, MVZ und BAG müssen seitdem laut Paragraf 95e SGB V einen ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz nachweisen. Für Vertragsärzte beträgt die Mindestversicherungssumme 3,0 Millionen Euro für Personen- und Sachschäden pro Fall und mindestens 6,0 Millionen Euro für alle Versicherungsfälle in einem Jahr. Bei Praxen mit angestellten Ärzten und MVZ liegt die Mindestsumme bei 5,0 Millionen Euro.
„Alle Verträge von Einzelpraxen, die noch eine geringere Versicherungssumme als 3,0 Millionen Euro vorsehen, müssen spätestens bis zum Sommer 2023 angepasst werden“, betont Bürger. Sie hält eine höhere Deckungssumme für sinnvoll. „Wir empfehlen mindestens 5,0 Millionen Euro, bei schneidenden Disziplinen und exponierten Bereichen sollten es mindestens 7,5 Millionen Euro sein.“
Auch Claudia Feige von der Deutschen Ärzteversicherung (DÄV) rät zu 5,0 Millionen Euro Versicherungssumme. Sie verweist auf die sogenannte Spätschadenproblematik bei Personenschäden. „Die Summe muss ausreichen, damit auch noch Schäden gedeckt sind, die bis zu 30 Jahre nach dem eigentlichen Ereignis gemeldet werden.“
Was wird Privatärzten empfohlen?
Sowohl Feige als auch Bürger empfehlen auch Privatärzten, sich an den gesetzlichen Vorgaben zur Versicherungssumme zu orientieren. Bürger: „Die Arzthaftpflicht ist die allerwichtigste Versicherung für Ärzte.“ Sie sei nicht nur nötig, um berechtigte Schadenersatzansprüche von Patienten auszugleichen. Zudem prüfen die Versicherer auch, ob überhaupt ein Haftungsanspruch vorliegt und in welcher Höhe. „Die Police dient auch der Abwehr unberechtigter Ansprüche.“
Die Anbieter lassen sich an zwei Händen abzählen. Nicht zuletzt wegen der oft jahrelangen Abwicklung, der Spätschadenproblematik und der steigenden Schadenhöhen ist die Arzthaftpflicht für Anbieter ein schwieriges Terrain. Das hat dazu geführt, dass sich einige wie etwa die Zurich aus diesem Marktsegment zurückgezogen haben. Schon 2010 hatte die DÄV wegen hoher Verluste die Prämien drastisch erhöht, und zwar nicht nur bei risikoexponierten Berufsgruppen wie Gynäkologen mit Geburtshilfe, sondern auch bei Allgemeinmedizinern. Auch andere Versicherer verlangten von den Ärzten deutlich höhere Preise und kündigten zum Teil die Verträge.
Problemfall: Nationalität der Versicherungsgesellschaft
Das hat neue Gesellschaften auf den Plan gerufen. Inzwischen sind einige schon wieder vom hiesigen Markt verschwunden – wahrscheinlich, weil sie gemerkt haben, dass das Geschäft doch nicht so einfach ist wie gedacht. Wer sich bei einem ausländischen Anbieter versichern will, muss sicherstellen, dass es eine Zulassung für Deutschland hat, betont Bürger. Beachten sollten Ärzte auch, dass für die Policen die Schuldrecht- und Schadenrechtregeln des Landes gelten können, aus dem der Anbieter kommt. Sie können sich von den in Deutschland geltenden unterscheiden. „Im Zweifelsfall kann das zu Problemen beim Versicherungsschutz führen.“
Angesichts der Komplexität der Materie hält Bürger es für sinnvoll, dass Ärzte sich von Versicherungsmaklern oder -vermittlern beraten lassen, die sich mit Arzthaftpflicht auskennen. „Solche Spezialisten greifen nicht auf die Standardkonzepte der Versicherer zurück, sondern entwickeln sie weiter und ergänzen den Versicherungsschutz auf Basis ihrer Schadenerfahrung“, so der nicht ganz uneigennützige Rat der Maklerin.
Feige von der DÄV sieht das genauso. „Ärzte sollten am besten mit einem qualifizierten Berater zusammenarbeiten.“ Mit ihm sollten sie auch regelmäßig prüfen, ob der Versicherungsschutz noch passt. Dabei geht es nicht nur um die Versicherungssumme, sondern auch um die ärztlichen Tätigkeiten. „Es müssen alle Tätigkeiten versichert sein, die der Arzt in seiner Praxis anbietet“, erläutert Feige. Erweitert er sein diagnostisches oder therapeutisches Spektrum, muss der Versicherer darüber informiert werden.