Apps auf Rezept: Hausärzte verordnen die meisten DiGA
Erster Bericht des GKV-Spitzenverbands über die Inanspruchnahme von DiGA. Ergebnis: Hausärzte nehmen eine wichtige Rolle bei der Verordnung ein. Und welche App auf Rezept verschreiben sie am häufigsten?
Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen konstatieren in ihrem ersten Bericht zu digitalen Gesundheitsanwendungen auf Kassenkosten eine „eher verhaltene Nachfrage“: Insgesamt seien im ersten Jahr rund 50.000 DiGA ärztlich verordnet oder von den Krankenkassen genehmigt worden, 80 Prozent davon seien von den Patienten anschließend auch aktiviert worden.
Der Bericht wurde am Dienstag vom GKV-Spitzenverband veröffentlicht (Berichtszeitraum 1. September 2020 bis 30. September 2021). Damit kommt der Spitzenverband seiner gesetzlichen Aufgabe nach, das Bundesgesundheitsministerium über DiGA-Inanspruchnahme und -Entwicklung zu informieren (§ 33a Abs. 6 SGB V). Im Berichtszeitraum waren 20 DiGA zu Lasten gesetzlicher Kostenträger verordnungsfähig. Ein Schwerpunkt zeigte sich im Bereich der psychischen Erkrankungen. Inzwischen haben 30 DiGA eine Zulassung erhalten.
Adipositas-DiGA am beliebsten bei Hausärzten
Im Berichtszeitraum sei die überwiegende Mehrheit der DiGA ärztlich oder psychotherapeutisch verordnet worden, nur circa 10 Prozent der DiGA kamen nach Genehmigung durch eine Krankenkasse zur Anwendung. Die meisten DiGA wurden von Hausärztinnen und Hausärzten verordnet (32 Prozent), gefolgt von Verordnungen durch HNO-Fachärzte (20 Prozent) und Orthopäden (17 Prozent).
Im Bereich der hausärztlichen Versorgung dominierte im Berichtszeitraum die Verordnung der DiGA „zanadio“, die das Krankheitsbild Adipositas adressiert (36 Prozent aller Verordnungen). Danach folgen die durch Hausärztinnen und Hausärzte verordneten DiGA M-sense (13 Prozent; Migräne), Selfapy – Depression (12 Prozent), somnio (11 Prozent; nichtorganische Insomnie) und Vivira (10 Prozent; Muskel-Skelett-Erkrankungen).
„DiGA-Preise übersteigen Vergütung ärztlicher Leistungen“
Im Schnitt lagen die von den Anbietern im ersten Jahr frei festlegbaren Preise bei rund 400 Euro pro App im Quartal. Das Preisspektrum erstrecke sich von 119 Euro bis 744 Euro für drei Monate. Die GKV-Ausgaben für DiGA betrugen im Berichtszeitraum den Angaben zu folge rund 13 Millionen Euro.
Die Kosten sorgen für Kritik vom GKV-Spitzenverband, auch weil „die Preise der DiGA in der Mehrzahl die Vergütung konventioneller, beispielsweise ärztlicher Leistungen um ein Vielfaches“ übersteigen, schreibt Stefanie Stoff-Ahnis aus dem GKV-SV-Vorstand in ihrem Vorwort.
Die Preise im ersten Jahr werden allein von den Herstellern festgelegt. Erst zum zweiten Jahr werden sie mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt. Im Berichtszeitraum waren laut Report noch keine Preisverhandlungen abgeschlossen. Erst im Dezember 2021 wurden von der Schiedsstelle erste Regelungen zu Höchstbeträgen und Schwellenwerten festgelegt.
„Innovationscharakter begrenzt“
Die meisten DiGA im Berichtszeitraum waren nur auf Erprobung gelistet, da sie noch keine positiven Versorgungseffekte nachweisen konnten. Nur fünf DiGA hatten eine dauerhafte Zulassung. Der GKV-Spitzenverband sieht das kritisch. Stoff-Ahnis: „Die Erwartungen konnten bisher kaum erfüllt werden. Das zeigt die hohe Quote der nur zur Erprobung gelisteten Anwendungen deutlich. Dabei haben DiGA großes Potential. Sie könnten Brücken schlagen zwischen Patientinnen und Patienten, deren Behandelnden, den Versorgungsbereichen und den unterschiedlichen Fach- und Berufsgruppen. Unsere Analysen legen nahe, dass sie derzeit statt als funktionales Scharnier eher als Begleitung oder Coach ausgestaltet werden. Wenn eine DiGA bloß Leitlinieninhalte oder Selbsthilfe-Manuale digital abbildet, ist der Innovationscharakter begrenzt.“
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller weist die Kritik an den Erprobungs-Regeln in einer Reaktion auf den Bericht des GKV-Spitzenverbandes zurück. „Im noch jungen Leistungsbereich der DiGA muss den Herstellern die Chance und die Zeit zur Evidenzgenerierung gegeben werden. Die aktuellen gesetzlichen und bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen tragen diesem Innovationsprozess Rechnung“, so BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz.