ANTIBIOTIKA-VERORDNUNGEN SINKEN IN DER PANDEMIE AUF HISTORISCHEN TIEFSTAND
Vertragsärzte berichten von einem massiven Einbruch bei Antibiotika-Verordnungen in der Pandemie. Weniger Atemwegsinfektionen und AU-Fälle infolge eines verstärkten Infektionsschutzes seien aber nicht der alleinige Grund.
Berlin. Die Coronavirus-Pandemie hat nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zu einem starken Einbruch bei Antibiotika-Verordnungen geführt. Die Verordnungszahlen seien im zweiten Quartal 2020 auf einen „historischen Tiefstand“ gesunken, teilte das Zi am Montag mit.
Seither bewegten sich die Zahlen auf einem „signifikant niedrigeren Niveau als in den Jahren zuvor“. Das gelte auch in den Herbst- und Wintermonaten, in denen therapiebedürftige Atemwegserkrankungen verstärkt auftreten würden.
Nahezu acht Millionen Verordnungen weniger
Die Zi-Wissenschaftler untersuchten die Arzneimittelverordnungsdaten von Januar 2016 bis Mai 2021. Wurden 2019 rund 29,5 Millionen Verordnungen ausgegeben, waren es ein Jahr später nur 21,8 Millionen. Das sei ein beachtlicher Rückgang, zumal Haus- und Fachärzte in Deutschland im internationalen Vergleich Antibiotika bereits vor der Pandemie „überaus moderat“ verordnet hätten, so das Zi.
Absolut betrachtet sind den Angaben zufolge die Rückgänge bei den Antibiotika-Verordnungen unter den 18- bis 65-Jährigen am höchsten – nicht zuletzt auch wegen der Größe dieser Patientengruppe, hieß es. Hier seien 2020 rund 4,5 Millionen und somit 26 Prozent weniger Verordnungen ausgestellt worden als im Jahr zuvor.
Corona drückt Phänomen des Präsentismus am Arbeitsplatz
Pandemiebedingte Infektionsschutzmaßnahmen, die seit dem Frühjahr 2020 zu weniger Atemwegsinfektionen und AU-Fällen aufgrund von Infektionskrankheiten geführt hätten, reichten zur Begründung für die gesunkenen Verordnungszahlen allein nicht aus, erklärte das Zi. „Denkbar ist vielmehr auch, dass sich der Umgang mit Atemwegsinfektionen grundsätzlich verändert hat“, sagte Zi-Vorstandsvorsitzender Dr. Dominik von Stillfried.
Trotz Krankheitssymptomen am Arbeitsplatz zu erscheinen, obwohl eine Krankmeldung angezeigt wäre, sei im Zuge der Pandemie wegen des allgemeinen Infektionsrisikos deutlich kritischer bewertet worden als zuvor. Damit sinke zugleich der empfundene oder tatsächliche Druck auf Beschäftigte, krank anwesend zu sein und dies im Notfall auch durch die Einnahme von Arzneimitteln wie Antibiotika sicherzustellen“, sagte Stillfried. (hom)