ÄRZTLICHE HAFTUNG: BGH STÄRKT PATIENTENRECHTE BEI DER AUFKLÄRUNG
Gerichte dürfen nicht mehr ohne Anhörung davon ausgehen, dass sich die Patienten auch ohne ordnungsgemäße Aufklärung für einen Eingriff entschieden hätten.
Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Patientenrechte gestärkt, wenn im Arzthaftungsprozess die ordnungsgemäße Aufklärung im Streit steht. Nach einem aktuell veröffentlichten Beschluss dürfen Gerichte nicht ohne persönliche Anhörung davon ausgehen, dass der Patient sich ohnehin für den Eingriff entschieden hätte.
Im entschiedenen Fall geht es um einen refraktiven Eingriff bei Kurzsichtigkeit. In Vollnarkose führte der Augenarzt eine LASIK-Behandlung am rechten Auge durch. Während des Eingriffs kam es zu einem Kneifen des Auges, so dass sich der Laserschnitt dezentrierte. Der Beklagte brach die LASIK-Behandlung ab und führte sodann eine photoreaktive EXCIMER-Laserbehandlung durch. Auch das linke Auge wurde operiert, am rechten war nach gut einem halben Jahr eine Revisionsbehandlung erforderlich.
Schadensersatz und Schmerzensgeld gefordert
Der Kläger macht fortbestehende Sehbeschwerden und Augentrockenheit geltend. Weil er dies auf die Behandlung zurückführt, klagte er gegen den Augenarzt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Das Landgericht Potsdam und das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg in Brandenburg an der Havel wiesen die Klage ab. Dabei ging das OLG zwar von einer fehlenden Aufklärung zur EXCIMER-Laserbehandlung aus, nahm aber gleichzeitig an, dass der Patient dem Eingriff auch mit Aufklärung zugestimmt hätte.
Doch von einer solchen fiktiven Einwilligung habe das OLG nicht ausgehen dürfen, ohne den Patienten hierzu persönlich anzuhören, rügte nun der BGH. Das OLG habe das Recht des Patienten auf rechtliches Gehör verletzt. Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, an die Annahme einer fiktiven Einwilligung seien strenge Anforderungen zu stellen. Andernfalls werde der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen.
Echter Entscheidungskonflikt
Auf den Einwand, der Patient hätte dem Eingriff auch mit Aufklärung zugestimmt, müsse dieser zwar zumindest einen „echten Entscheidungskonflikt“ darlegen. Hierfür seien aber umgekehrt die Anforderungen nicht hoch. Maßgeblich sei „die persönliche Entscheidungssituation des jeweiligen Patienten“. Was aus ärztlicher oder „verständiger“ Sicht sinnvoll und vernünftig gewesen wäre, spiele keine Rolle.
„Der Tatrichter darf seine eigene Beurteilung des Konflikts nicht an die Stelle derjenigen des Patienten setzen“, betonte der BGH. Daher sei eine persönliche Anhörung in der Regel unerlässlich. Nur dies könne verhindern, dass der Tatrichter seine eigene Sichtweise als „naheliegend“ auf den Patienten überträgt. Hier hatte das OLG argumentiert, der Patient habe schriftlich einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel dargestellt und dies auch später nicht nachgetragen. Dies war dem BGH zu wenig. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Patienten hob er die OLG-Entscheidung auf und verwies den Streit zur erneuten Prüfung dorthin zurück.