Ärztemangel: Sind Physician Assistants bald auch eine Alternative für Praxen?
Im Emsland sollen Physician Assistants (PA) erstmals auch Haus- und Fachärzte unterstützen. Bisher arbeiten sie ausschließlich in Kliniken. Am notwendigen Ausbildungsgang wird bereits fleißig geschraubt.
PAPENBURG. Um dem zunehmenden Ärztemangel in der ambulanten Versorgung zu begegnen, sollen im Emsland künftig Physician Assistants (PA) zusätzlich zu den MFA die Praxen unterstützen. Um rasch an entsprechendes Personal zu kommen, will man im Nordwesten die Ausbildung zum PA selber organisieren. Hausarzt Dr. Volker Eissing ist Mitinitiator des Projektes.
Zusammen mit der Berliner Steinbeis Hochschule und dem Meppener Ludmillenstift könnten in diesem Jahr die ersten Kurse für die dreijährige Ausbildung starten. Es wäre der erste Ausbildungsgang zum PA in Niedersachsen. Offen ist noch, ob und wie die Fachhochschule Emden eingebunden werden könnte.
Eissing bekommt schon lange die angespannte Situation in der ambulanten Versorgung zu spüren, wie er berichtet. Mit zwei hausärztlichen Kollegen und vier angestellten Fachärzten führt er in Papenburg eine der größten Hausarztpraxen Niedersachsens – ein MVZ mit 75 MFA, darunter acht Nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPa), und mit insgesamt rund 15.000 Fällen im Quartal. Anders wäre die Versorgung in der Region nicht zu schaffen, sagt er.
Ärztemangel ist schon spürbar
Denn viele der Kollegen in der Region arbeiten bereits weit über das Ruhestandsalter hinaus weiter. Sie sind 65, 70 oder älter, so Eissing. Andere treten aus Altersgründen kürzer und machen nur Vormittagssprechstunden.
Auch Dieter Krott, Geschäftsführer der Bezirksstelle Aurich der KV Niedersachsen, sieht den Engpass kommen. „Derzeit sind nur fünf Hausarztsitze frei. Aber viele Ärzte in der Region sind 60 plus.“ Mit anderen Worten: Der Hausärztemangel steht vor der Tür.
Nun sollen es die PAs richten. Die Infrastruktur für den Bachelor-Studiengang PA sei im Emsland bereits vorhanden. „Wir haben ein Schulungszentrum für die Krankenpflege und Physiotherapie-Ausbildung im Haus“, sagt der Verwaltungsdirektor des Ludmillenstifts, Wilhelm Wolken. Die Dozenten kommen direkt von der Hochschule und aus dem Meppener Stift.
Ob die Fachhochschule Emden eingebunden werden kann, soll laut Eissing noch verhandelt werden. „Wir haben einen Fachbereich soziale Arbeit und Gesundheit“, bestätigt eine Sprecher der Fachhochschule. „Was die PAs angeht, gibt es aber von unserer Seite bisher nur Vorüberlegungen.“
Das sind die Voraussetzungen für die Ausbildung
Das Curriculum bringt die Steinbeis-Hochschule mit. „Die Ausbildung ist mit der Bundesärztekammer abgestimmt“, betont Prof. Thomas Karbe von der Steinbeis-Hochschule. In der Schrift „Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“umreißen Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Curriculum.
Formuliert ist hier unter anderem, dass PAs ausschließlich im Rahmen der Delegation arbeiten dürfen. Andernfalls drohe die „Zersplitterung der Berufe und Zuständigkeiten“, heißt es.
Wer sich bewerben will, braucht das Abitur oder die Fachhochschulreife plus einer dreijährigen Ausbildung in einem medizinischen Fachberuf. Oder er braucht die mittlere Reife plus drei Jahre Ausbildung und drei Jahre Berufserfahrung in einem medizinischen Ausbildungsberuf.
Gemeint sind also MFA, Rettungsassistenten, Schwestern und Pfleger. An Bewerbern besteht im Emsland offenbar kein Mangel. Aus Eissings MVZ haben sich bereits acht Interessenten gemeldet, wie der Hausarzt berichtet.
Aussichtsreicher als Landarztquote?
Für ihn ist der PA in der ambulanten Versorgung ohnedies aussichtsreicher als die Landarztquote. „Denn wer sich für den PA interessiert, hat viele Lebensentscheidungen schon getroffen, lebt mit Partner und Kindern oft schon seit Jahren in der Region“, sagt Eissing. „Die wandern nicht ab und behalten ihren Lebensmittelpunkt hier bei uns.“ Bei jungen Ärzten, die sich zu Studienbeginn für Jahre auf dem Lande verpflichtet haben, dürfte das bekanntlich anders sein.
Sogar bei der Finanzierung der Ausbildung und der Abrechnung der PA-Leistungen in den Praxen sind bereits einige Pflöcke eingeschlagen, wie Eissing berichtet. Die Studiengebühren für den Steinbeis-Studiengang betragen 500 Euro pro Monat und Student – eine Unmöglichkeit für MFA oder Schwestern, meint er. Bei den Studiengebühren werden nach seinen Angaben möglicherweise der Landkreis Emsland und die Kommunen Meppen, Papenburg und Lingen einspringen.
Unbeantwortet ist derzeit die Frage, wie die Leistungen der PAs in den Praxen abgerechnet werden können. Für Eissing wäre es die beste Lösung, wenn jeder Arzt, der einen PA einstellt, etwa 500 Patienten mehr im Quartal behandeln darf. „Bei fünf PAs hätten wir 2500 Patienten im Quartal mehr in der Versorgung,“ sagt er. „Das kostet das System nicht mehr Geld, weil diese Patienten ja sowieso versorgt werden müssten.“
Das kostet die Ausbildung
» 500 Euro pro Monat sollen die Gebühren für den Bachelor-Studiengang zum Physician Assistant im Emsland voraussichtlich betragen.
» Zu viel für die Anwärter, meint Mitintiator Hausarzt Dr. Volker Eissing. Möglicherweise sprängen hier der Landkreis Emsland und die Kommunen Meppen, Papenburg und Lingen ein.